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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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nannte meinen Namen mit einer Art Staunen. »Wie fühlst du dich? Bist du nicht müde? Diese lange Reise!«
    Ich lachte, um meine Rührung zu verbergen.
    »Ach, ich habe sie gut überstanden.«
    »Elias hat mir gesagt, daß du kommen würdest.«
    »Ja. Er hat mich unter Druck gesetzt.«
    »Das sollte dich nicht wundern; Männer haben diesen albernen Zug, nicht wahr, Elias?«
    »Ja«, sagte Elias.
    Er neigte sich ehrerbietig zu ihr hinunter; sie reichte ihm die Hand, die er zuerst an seine Stirn, dann an sein Herz legte. Es war, als ob er ihren Segen empfing. Seufzend sprach sie ein paar Worte auf Tamahaq zu ihm. Elias kniete neben Zara, die ihm den Arm um die Schultern legte. Sanft und behutsam hob er sie hoch, damit sie mit dem Rücken zur Wand sitzen konnte. Zara strich ihren Schleier glatt, ordnete die Falten ihrer Gandura, damit sie ein schönes Muster bildeten. Sie trug Armspangen aus massivem Silber, die für ihre zerbrechlichen Handgelenke zu schwer wirkten, und ein Brustgeschmeide aus fünf silbernen Rauten: die Chomeissa – der Name fiel mir plötzlich ein. Er entstammte dem arabischen Wort chamsa – fünf. »Aber die Bedeutung kam erst später auf«, hatte mir 265
    Olivia mal erklärt. »In Wirklichkeit stellt das Schmuckstück das weibliche Dreieck dar, das Tanitsymbol der Karthager.« Sie hatte dazu gelächelt: »Bei den Tuareg, siehst du, herrschen ältere Vorstellungen.«
    Und ich fragte mich, was es zu bedeuten hatte, daß die Erinnerung nach so vielen Jahren wieder auftauchte. Unglaublich, dachte ich staunend, daß ich das alles vergessen hatte! War für ein Leben hatte ich bisher gelebt? Inzwischen rollte Matali einen Teppich auf, brachte mehr Kissen. Wir setzten uns. Ich packte die Geschenke aus: die Kette aus Bernstein, Pulverkaffee, ein Schmerzmittel gegen Rheuma, äußerlich anzuwenden, denn ich wußte nicht, wie Zara auf Tabletten reagieren würde. Matali empfing entzückt seine Wollsocken, wollte sie sofort überstreifen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in diesem Raum ohne Fenster zu sitzen, zu wissen, daß hier Menschen waren, die mich als Kind gekannt hatten, die mich liebten.
    Hier konnte ich an meine Vergangenheit anknüpfen; mir war, als verstehe ich zum ersten Mal die Welt. Gab es etwas Seltsameres?
    Stimmen, Geräusche und Gerüche waren intensiv miteinander verwoben. In dem armseligen, nach Gips und alten Kleidern riechenden Raum war mein Vater ganz nahe – viel näher, als ich es je empfunden hatte. Elias indessen saß still, streichelte den Hund, der neben ihm auf dem Teppich lag. Doch Zara sprach zu mir, so unbefangen und vertraut, als ob sie mich ohne Unterbrechung gekannt hätte. Mir war dabei sehr seltsam zumute. Sie konnte –
    ungeachtet ihrer Zuneigung – kaum etwas von mir wissen. Aber Olivia hatte ihr sehr nahegestanden, und – wie es bei alten Leuten oft vorkommt – ihr war die ferne Vergangenheit deutlicher erfaßbar als die Gegenwart. Und so sagte ich zu Zara, in einem heiteren Plauderton:
    »Olivia hat mir diesmal keine Geschenke mitgegeben. Sie wird sie selbst mitbringen.«
    Daß sie überrascht sein würde, hatte ich erwartet. Doch sie schien völlig versteinert. Sie starrte mich an. Ich hörte, wie sie kurz und zischend die Luft ausstieß. Über unseren Köpfen summten Fliegen; sonst war es still. Endlich bewegte sich Zara; sie hob die Hände, strich zitternd über ihr Gesicht. Als sie sprach, wollten die Worte nur langsam kommen.
    »Zu spät… Dort draußen gibt es nichts mehr!«
    Was meinte sie damit? Ich wandte mich fragend an Elias. Er nickte mir zu:
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    »Zara meint das Lager. Das Königslager.«
    Ich rieb mir die brennenden Augen. Ich hatte zuwenig geschlafen.
    »Olivia weiß, daß es zerstört wurde.«
    Elias, der unentwegt den jungen Hund streichelte, sah Zara ruhig an.
    »Sie wird in meiner Schule unterrichten.«
    »Ach ja, deine Schule.«
    Zara zeigte plötzlich den Anflug eines Lächelns.
    »Es wird wie früher sein, nicht wahr? Olivia redete und spielte mit den Kindern und zeigte ihnen eine Weltkugel: ›So sieht unsere Welt aus. Sie dreht sich im Himmel. Und jetzt schaut genau hin: Ich zeige euch den Punkt, wo ihr auf dieser Kugel lebt!‹ Und es gab immer ein Kind, das wissen wollte: ›Warum fallen wir nicht von der Kugel herunter?‹ Und Olivia erwiderte: ›Weil sie so unendlich groß ist.‹ Sie wollte, daß die Kinder sich flach auf den Boden legten und zur Seite schauten. ›Seht nur! Seht! Der Himmel ist nicht nur oben, sondern rings um

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