Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Ich wälzte mich auf die Seite, streckte den Arm aus und tastete nach Elias. Statt seiner warmen Haut berührte ich nur die Matratze – er lag nicht neben mir. Blinzelnd richtete ich mich auf.
    »Elias?«
    »Ich bin da!« antwortete seine ruhige, weiche Stimme. Im Dämmerlicht sah ich ihn sitzen, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Ganz still saß er da und schaute auf mich herab. Der Kälte wegen hatte er seine Gandura übergestreift. Sein Haar fiel über das helle Baumwollgewand, und erst der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß machte ihn deutlich sichtbar.
    »Was machst du da?« stammelte ich.
    »Ich sehe dir beim Schlafen zu.«
    Ich schlug die Decke auf.
    »Ach, Unsinn, Elias! Komm schon!«
    Er beugte sich hinunter mit einer sanften Bewegung, fast ohne die Matratze niederzudrücken. Ich legte beide Arme um seinen Nacken.
    Seine Haut fühlte sich kalt an.
    »Du frierst ja.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Ich zog die Decke über uns beide. Eine Weile lagen wir wortlos nebeneinander. Es war so schön, ihn zu spüren, den atmenden Leib, die sich langsam erwärmende Haut. Schließlich brach ich das 258
    Schweigen.
    »Was ich dir noch sagen wollte: Ich habe wieder von Amenena geträumt. Und auch eine Eidechse gesehen.«
    »Eine Eidechse?«
    »Ja. In der letzten Nacht, bevor mein Flug ging. Es regnete stark, ich hatte das Fenster offengelassen. Die Eidechse kam herein, weil sie Wärme suchte, denke ich…«
    »Und Amenena?«
    Ich legte mein Kinn auf seine Schulter.
    »Diesmal war sie anders als sonst.«
    Ich beschrieb ihm, wie sie ausgesehen hatte. Ich sah, wie er die Brauen verzog.
    »Hat sie etwas gesagt?«
    Ich rief mir ihre Worte ins Gedächtnis zurück; irgend etwas drängte mich, sie auszusprechen, eher für mich als für ihn. Er hörte aufmerksam zu.
    »Hattest du Angst?«
    »Überhaupt nicht, das war das Merkwürdige daran.«
    Dann meinte er nachdenklich:
    »Manch einer würde sagen, ich bin zu dumm, um ihr Sohn zu sein.«
    »Vielleicht gibt es ein besseres Wort…«
    »Ich wüßte keines. Amenena weiß so viele Dinge über mich, die ich ihr nie gesagt habe, die es nur in meinem Gedächtnis gibt. Früher dachte ich, das kommt daher, weil sie meine Mutter ist, nur deswegen. An dem Tag, als sie mir den Tagelmust, den Gesichtsschleier, überreichte – was eigentlich die Aufgabe meines Vaters gewesen wäre –, gab sie mir nicht nur die üblichen Ratschläge, sondern erklärte mir, daß sie mit dem Geist reisen könne, wohin sie wolle. ›Du sollst wissen, daß du das auch kannst, und besser als ich.‹ Ich sagte, daß ich das Spiel lernen wollte. Ich erinnere mich, daß sie lächelte. Sie hat so ein süßes Lächeln, jedes Kind wäre dahingeschmolzen, und auch jeder Mann. ›Nun, Elias, nenne es, wie du willst. Es wird schwer genug sein, dich zu unterrichten‹. Sie merkte, daß ich neugierig war, und gab sich große Mühe mit mir, aber ich konnte nie lange bei der Sache sein. Erst später habe ich begonnen, über ihre Träume nachzudenken.«
    »Du hast gesagt, daß sie dir ihre Träume zeigte?«
    »Ja. Sie sagte ›Komm‹, und ich ging mit ihr. Ich stellte ihr keine Fragen und suchte auch keine Erklärung. Wir besuchten viele Orte, hier oben…« Er tippte auf seine Stirn. »Da sie nur einen Sohn hatte 259
    und ich der letzte dieser Linie bin, übernahm ich manche Aufgabe, die eine Mutter üblicherweise der Tochter aufträgt, um sie gewisse Bräuche zu lehren, die von einer Generation auf die andere übergehen. Aber mit der Zeit verlor ich das Interesse. Als Halbwüchsiger hatte ich nur Mädchen im Kopf. Diese Dinge kamen mir albern vor; ich suchte eher das Konkrete. Amenena blieb geduldig. Eine Schamanin will ja, daß ihre Fähigkeiten auf ihre Kinder übergehen. Doch sie hatte nur mich, einen unbegabten Trotzkopf, eingebildet noch dazu. Ich führte ein anderes Leben. Ich dachte, was soll’s. Meine damalige Situation war kompliziert, meine Zukunftsaussichten trübe. Erst Jahre später, in Amerika, hörte ich die Geisterstimmen wieder, aber da war es zu spät. Amenena tat alles mögliche, um mich heil durch verschiedene Desaster zu bringen.
    Und dann passierte die Sache mit meinem Vater. Das war alles zuviel für mich. Ich konnte nur noch mit Problemen umgehen, die weiter weg lagen. Amenena bedauerte mich, aber mehr konnte sie nicht für mich tun. Ich habe nicht die Gabe, die Amenena sich für mich gewünscht hatte. Ich trage sie in mir, das schon, aber sie wächst nicht, sie verkümmert. Ein Mann ist, wie er

Weitere Kostenlose Bücher