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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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lachte.
    »Ja, sie hat ihn vor das Zelt gesetzt.«
    »Somit gehöre ich strenggenommen nicht ganz zur Familie. Dein Großvater war Hiram, Zaras zweiter und rechtmäßiger Gatte. Aber bei uns bestimmt die Mutter die Erbfolge. Dazu kommt, daß du eine Frau bist. Die Tuareg sind der Meinung, daß Frauen alte Geheimnisse besser bewahren. Ich bin in dieser Sache nur ein notdürftiger Ersatz.«
    Wir lachten. Ich senkte den Kopf, berührte mit dem Finger das blitzende Silber. Zara mußte den Schmuck oft geputzt haben. Er leuchtete im Helldunkel wie ein Lichtfleck auf meiner Brust. Der Schmuck war mehr als bloß alt oder schön: Er war mein Erbe.
    »Die Spur der Schlange«, sagte ich leise. Und wieder spürte ich, wie ich erschauerte. Ja, die Schlange wanderte durch Raum und Zeit, schlüpfte über alle Grenzen. Kein Wachtposten sah sie; die Schlange war lautlos, fintenreich und geschickt. Sie war nicht böse, nein, sie wehrte sich nur, wenn sie angegriffen wurde. Die uralte Schlange tanzte den freien Menschen entgegen und brachte die Erkenntnis zurück.
    Das alles stimmte mich nicht traurig. Im Gegenteil: Ich war dankbar und angeregt, schlicht und einfach glücklich. Es war meine Geschichte, die erzählt werden mußte, und es spielte keine Rolle, daß ich die Geschichte nicht kannte. Meine Wahrnehmungskraft war geschärft. Strukturen weit zurückliegender Zeiten prägten meine Erinnerung. Und was meine Erinnerung war, das konnte ich herausfinden.
    Ich sagte zu Elias:
    »Ganz unter uns, ich glaube nicht, daß Zara so verkalkt ist, wie sie 271
    meint.«
    Er nickte mit einem Lächeln in den Augen.
    »Früher hatte sie nur Tagträume, um sich die Zeit zu vertreiben.
    Worauf sich ihre Vorstellung gegenwärtig konzentriert, ist Olivia. In ihren Gedanken gibt es keinerlei Zweifel. Olivia wird kommen, und zwar bald. Das gibt ihr genug Kraft für den Rest ihrer Tage.«
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26. Kapitel
    E lias war aufgebrochen, als es noch dunkel war, um die Mehara von der Weide zu holen. Um sechs würde er mich abholen, hatte er gesagt. Nachdem er gegangen war, hatte ich nur wenig und unruhig geschlafen.
    Als der Wecker läutete, sah ich über dem Vorhang des Fensters den goldenen Streifen der Dämmerung. Mein Herz klopfte freudig, während das Licht kam und die Stimmen der Vögel lauter wurden.
    Ich stand auf, ging ins Badezimmer, stellte mich unter die Brause und wusch mich. Das Wasser im Boiler war nicht warm, aber der Strahl aus dem Duschkopf sprudelte kräftig. Ich trocknete mich ab, bis meine Haut prickelte, und putzte mir die Zähne. Jede Geste vollzog ich langsam wie eine von Vorfreude erfüllte Zeremonie, die der Vorbereitung auf ein wunderbares Ereignis dienen sollte. Meine Tasche war schon gepackt. Ich stopfte noch ein Handtuch und den Toilettenbeutel hinein, zog eine bequeme Hose, eine wollene Bluse und meinen dicken Pullover an. Ismain war längst wach, ich hörte ihn in der Küche hantieren. Er hatte stark gesüßten Milchkaffee gekocht und den noch halb verschlafenen Fuad zum Bäcker geschickt, um frisches Brot zu holen. Gerade hatte ich mein Frühstück beendet, als das Schnaufen eines Meharis im Hof mich aufhorchen ließ. Schon stapfte Fuad mit bloßen Füßen durch das Wohnzimmer und riß die Tür auf. Ich trat hinter ihm nach draußen.
    Eiskalte Luft schlug mir entgegen. Der Himmel glitzerte grünblau, die Bergkuppen leuchteten korallenrot, und die Lehmmauern schimmerten wie vergoldet. Im klaren Morgenlicht sah ich zwei Mehara im Sand kauern. Beide trugen die Rhala, den leichten Sattel der Tuareg. Atlar, der gewaltige Falbe mit den weißen Fesseln, warf mir einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß, und stieß eine Art wütendes Fauchen aus. Ich wich leicht zurück. Elias gab ihm einen Klaps mit der flachen Hand.
    »Er ist zornig, weil er gesattelt wurde, und wird fürs erste schmollen.«
    Er ging um Atlar herum und wies auf das zweite Tier, dessen Sattel mit einem kleinen Teppich belegt war.
    »Diese Stute ist Atlars Mutter. Das bedeutet, daß beide Tiere sich nicht streiten werden.«
    »Wie heißt sie?«
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    »luinaran – die mit den blauen Augen.«
    »Blaue Augen?« murmelte ich überrascht.
    Ich trat näher an die Stute heran. Sie ließ die pelzigen Ohren spielen und schien, während wir sprachen, aufmerksam zu lauschen. Dabei sah sie mich hochmütig von der Seite an, wie Kamele das zu tun pflegen; ihre Pupillen waren tatsächlich von einem bläulichen Hof umgeben. Elias blinzelte amüsiert.
    »Viele Tuareg wollen den

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