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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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blickten glasig. Ich starrte ihn an:
    »Diese Dinge hast du erlebt, Elias?«
    Er nickte.
    »Ich spreche nicht oft davon. Ich habe in Mali gegen die Bambara gekämpft. Ich dachte, daß ich etwas tun mußte. Jeden Morgen zogen wir aus, um das Gelände zu erkunden. Unsere Frontlinie war ständig in Bewegung. Wir ritten nicht mehr auf Kamelen; wir besaßen Fahrzeuge. Wir hatten Waffen, aber die Regierungstruppen hatten mehr – und bessere. Sie handelten mit Drogen, Zigaretten, Alkohol.
    Sie bekamen ihre Waffen aus den ehemaligen Ostblockstaaten und dem Balkan. Sie waren gut organisiert. Sie hatten Flugzeuge und Hubschrauber. Wir versuchten die Lager zu schützen. Über unsere Stellungen ging ein anhaltendes Artilleriefeuer hinweg, ein ununterbrochener, hartnäckiger Angriff ohne Feuerpause. Sie wollten uns ausrotten, hast du das gewußt?«
    Ich schraubte die Thermosflasche auf.
    »Trink!«
    Er nahm einen Schluck und fuhr fort:
    »Tja, wir sind ein störendes Element im saharischen Raum. Aber wir waren da, lange bevor die anderen kamen. Der Name, der diesen Kontinent bezeichnet -Afrika – geht auf das Volk der lfurakes zurück, die heutigen lforas-Tuareg: der Stamm meiner Mutter.«
    »Sprich weiter«, sagte ich.
    »Unsere Geschichte brauchte eine große dichterische Stimme. Aber für mich ist das nicht das Entscheidende. Entscheidend ist vielmehr, daß wir unsere Vorstellungen bewahren. Wir werden des Kufr beschuldigt, der Weigerung, Allahs Wort zu hören. Wir… wir hören andere Stimmen. Himmel und Erde singen für uns ihre unendliche Melodie. Wir sprechen zu den Steinen, den Bäumen und den Gewässern. Wir wollen uns die Erde nicht Untertan machen; wir wollen sie achten und lieben, wie wir unsere Mutter lieben. Ich für 288
    meinen Teil glaube, das ist eine bessere Art zu leben.«
    »Gib mir eine Zigarette«, sagte ich.
    Elias holte sein Päckchen hervor, gab mir eine Zigarette und nahm auch eine.
    »Noch vor zweihundert Jahren lag die Sahara jenseits der Landkarte, jenseits der Berichte der Geographen, jenseits der Grenzenlosigkeit der Träume. Sie war der Mittelpunkt Afrikas, das Herz der Sonne.
    Nirgends auf der ganzen Welt gab es einen vollkommeneren Einklang zwischen Freiheit und Raum. Doch dann kam der Feind, der Eroberer. Er mußte ja irgendwann mal kommen. Lange Zeit hatte die Wüste uns geschützt; jetzt zerbröckelte die Festung.
    Forschungsreisende wie Heinrich Barth, Rene Caillie und Henri Duveyrier führten ihre Reisen hierher mit dem angeblichen Ziel, die Sahara wissenschaftlich zu erforschen. Natürlich folgte jede Mission einem durchweg militärischen Zweck und war geprägt von dem Willen, die bisher von den ›Eingeborenen‹ beherrschten Gebiete dem eigenen Machtbereich anzugliedern. Nicht nur die Europäer, sondern auch die Türken – die im sechzehnten Jahrhundert die algerische Küste erobert hatten – erhoben Anspruch auf den saharischen Boden.
    Seit 1830 war Algerien französische Kolonie, doch den Ahaggar hatten die Franzosen niemals unterworfen. 1862 kam es zur Unterzeichnung des ›Vertrages von Ghadames‹, in dem wir uns verpflichteten, wissenschaftliche Expeditionen und Handelskarawanen ungehindert ins Land zu lassen. Für uns war das gegebene Wort ein immer gültiges Siegel. Daß dieser Vertrag für die Franzosen nur eine taktische Maßnahme darstellte, merkten wir bald.
    Die Rivalität zwischen den Tuareggruppen, insbesondere zwischen den Kel Ajjer und den Kel Ahaggar, machte die Sache noch verwickelter. Ich fasse mich also kurz.
    Eine besondere Begebenheit jagte das Pulverfaß in die Luft. Im Jahre 1879 führte Major Paul Flatters das Kommando in den Distrikten Uargla und El Golea. Flatters’ Familie stammte ursprünglich aus Krefeld in Deutschland. Im Gegensatz zu seinem Vater, der Bildhauer war, wählte der Sohn die militärische Laufbahn. Er hatte sich die Eroberung der afrikanischen Südspitze zum Ziel gesetzt, wobei er unser Gebiet durchqueren wollte. Was er jedoch im Schilde führte, war die endgültige Unterwerfung des Ahaggars. Zu seiner Kolonne gehörte eine Abteilung von achtundsiebzig arabischen Chaambas, die zu unseren Erbfeinden gehörten; dazu kamen Gewehrschützen als Kameltreiber getarnt. Flatters handelte in 289
    völliger Unkenntnis unseres Wesens. Daß ein Marabut – ein islamischer Gelehrter – die angebliche Expedition begleitete, erhöhte unser Mißtrauen, statt es einzuschläfern. Koransprüche stießen bei uns auf taube Ohren, und mit billigen Geschenken

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