Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
und Gewehrläufen funkelte das Morgenlicht; es war, als trügen sie die Sonne selbst in den Kampf.
    Doch die Franzosen und ihre arabischen Verbündeten waren bereit.
    Nur einige Befehle, und sie gingen in Stellung. Die Soldaten knieten ganz ruhig, drei Reihen hintereinander. Um besser zielen zu können, verharrten sie in dieser knienden Stellung unerschütterlich, bis die Angreifer in Schußweite herankamen. Die Mehara schienen zu 293
    schweben; auf ihren Reittieren hatten die Krieger sich aufgerichtet, das Schwert in der Rechten, bereit, sich zum tödlichen Hieb zu ducken. Sie standen unter dem Eindruck, daß, wenn die erste Salve sie nicht niederstreckte, sie auf ewig unverwundbar seien. Die Reiter waren geschmeidig, umflossen vom Nebel des aufsteigenden Staubes und dem gewohnten Keuchen und Grunzen ihrer Mehara, die auch im wildesten Galopp ihre Dressur nicht verleugneten. Ein neuer Befehl: »Feuer!« Da – ein ohrenbetäubender Knall, der wie schmetterndes Lachen von den Felsen widerhallte. Das Gewehrfeuer hatte eingesetzt, noch bevor die ersten Wurfspeere die Luft durchschnitten hatten. Die Kugeln rissen Lücken in die Reihen der Angreifer. Die Reiter wurden aus den Sätteln geschleudert; brüllend sanken die Kamele in die Knie, stürzten zu Boden. Die noch unversehrten Kamele scheuten, schlugen in wilder Panik aus, als bemächtige sich das Grauen zuerst der Tiere, dann der Menschen.
    Dennoch war der Schwung des Angriffs immer noch gewaltig. Die vorderen Reihen wurden von der Menge der nachdrängenden Reiter weitergejagt. Sie fluteten heran wie ein Heer von Dünen, das der Sturmwind des Zorns vor sich hertreibt, doch die Kugelwand ließ sich nicht überwinden. Die Salven der Maschinengewehre jaulten durch das Flußbett; das Knattern hallte bis weit in die Berge. Reiter und Kamele stürzten, als würden sie getroffen von Donner und Blitz.
    Die zerfetzten Krieger wurden aus den Sätteln geschleudert, von ihren tödlich getroffenen Mehara zerquetscht. Verstümmelte Männer wälzten sich in ihrem Blut, das auf die Steine spritzte, in den Sand sickerte. Sie hatten begriffen, daß sie nicht schneller sein konnten als die Feuerstöße, daß jeder noch so rasende Ansturm dem Rhythmus der Salven nicht gewachsen war. Dennoch stürzten sie in wahnwitzigen und ohnmächtigen Wellen heran. Auf Seiten der Franzosen ertönten die Befehle in regelmäßigen Abständen; jede Salve hinterließ einen weiten Kranz von Gefallenen. Der Angriff erlahmte, die Niederlage war vollendet. Bald gab es kaum noch Überlebende, die ihre Reittiere zügelten, zum Stehen brachten und schließlich herumrissen, im Bewußtsein, ein für alle Mal besiegt worden zu sein. Andere Mehara liefen mit leeren Sätteln durch den Staub, die schlagenden Flanken naß von Schweiß und Blut.
    Übelkeit stieg mir in die zugeschnürte Kehle. Ein ungeheurer Schmerz zerriß mir beinahe die Lunge. Doch im Geschrei der Schlacht war meine Stimme keine Stimme mehr. Mein Mund bewegte sich stumm, meine Augen weinten ohne Tränen. Der Wind 294
    wehte stärker und trug die Reiter fort. Das Licht rief schwindelnde Leere hervor, verwandelte sie in Schatten. Gewesen, vorbei. Die Reiter waren verschwunden. Hatte ich sie jemals gesehen? Eine Staubwolke senkte sich lautlos wie ein Leichentuch. Als sie verflog, erblickte ich im Sand die mumifizierten Überreste eines Meharis. Zu beiden Seiten des schmalen Schädels blickte der Tod aus leeren Augenhöhlen zu mir empor; der Kiefer schien geöffnet zu einem lautlosen Schrei.
    »Das Kamel muß verdurstet sein«, hörte ich Elias sagen. »Es lag die ganze Zeit da; wir haben es nicht gesehen, weil die Sonne schräg stand.«
    Ich stieß einen kurzen, schmerzvollen Laut aus, wandte mühsam den Blick von dem vertrockneten Fell, von den ausgebleichten Knochen ab.
    »Was war das jetzt gerade?« flüsterte ich.
    »Du hast geträumt.«
    »Willst du sagen, daß ich eingeschlafen bin?«
    »Du hast nicht geschlafen. Du hast Dinge gesehen. Hier…«
    Er tippte mit dem Finger auf die Stirn. Ich schluckte würgend. Ich konnte mir die Szene im Geist noch einmal anschauen; ich erinnerte mich an jede Einzelheit.
    »Das kann nicht sein.«
    »Doch.«
    »Aber wie komme ich dazu?«
    »Ich habe sie dir gezeigt.«
    »Ich dachte, du könntest nicht…«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Hier ist das keine große Kunst. Sie sind ja alle da.«
    »Wer, Elias?«
    »Die Kel es Suf… die Leute aus dem Nichts. Die Geister der Verstorbenen, wenn dir der Ausdruck besser

Weitere Kostenlose Bücher