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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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mußte das Lamm vermutlich erst schlachten. Endlich stand die Suppe auf dem Tisch; 66
    sie war gut, und wir ließen es uns schmecken. Inzwischen war auch das Fleisch gebraten. Es war gar und mit einer Menge Knoblauch gewürzt. Auch beim Essen beredeten wir die tausend Dinge, an die wir denken mußten.
    Nach dem Essen, als ich wieder im Zimmer war, dachte ich über meine Situation nach: Ich kannte weder die Stadt noch einen Menschen hier. Ich wußte nicht einmal, wo meine Großmutter wohnte. Zara ult Akhamuk, Tamanrasset, lautete der Absender, der auf ihren Briefen stand. Tarn hatte über dreißigtausend Einwohner; die Briefe kamen immer an. »Kannst du mir nicht ihre genaue Adresse angeben?« hatte ich Olivia etwas verdutzt gefragt. Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Ich kann dir nicht sagen, wo sie wohnt.« Eine kurze Weile war ich sprachlos gewesen, doch Olivia hatte dieses helle Funkeln in den Augen gehabt. »Da brauchst du nur zu fragen, das weiß jedes Kind.«
    Im Badezimmer drehte ich den Wasserhahn auf. In sämtlichen Rohren krachte und schepperte es, ein dünnes, rötliches Rinnsal flöß in die Badewanne. Ich duschte, so gut es ging, und legte mich auf das Bett. In der Nacht weckte mich die Kälte. Ich stand auf, zog meinen Pullover über den Pyjama, breitete das Ziegenfell, das nach Sand roch, auf der Bettdecke aus. Endlich schlief ich ein, doch ich hatte die ganze Zeit über kalte Füße. Irgendwann, es mußte bei Tagesanbruch sein, riß mich ein langgezogener, durch Lautsprecher verstärkter Singsang aus dem Schlaf. Der Muezzin rief zum Gebet.
    Eine Stunde später knatterten dicht vor meinem Fenster Lastwagen vorbei, Hähne krähten, und die Sonne funkelte rötlich hinter den Vorhängen. Ich warf die Decke zurück und stand auf. Schlotternd trat ich ans Fenster, zog die Vorhänge zur Seite und blinzelte in einen Wüstenmorgen von schmerzhaft strahlender Helle.
    Die Saharabewohner sind Frühaufsteher; sie stehen mit der Sonne auf und nutzen die kühlen Morgenstunden, um die wichtigen Dinge des Tages zu erledigen. Gleich nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Präfektur. Wir stellten fest, daß sich gleich neben dem Hotel ein Campingplatz befand, der von staubigen, knisternden Schilfwänden umgeben war; ein paar ausländische Wagen parkten dort, Wäsche trocknete auf einer Leine, ein Lastwagenmotor brummte. Bei Tageslicht kam uns Tarn wie eine einzige Baustelle vor; an jeder Straßenecke ratterten Bagger, während Arbeiter, einen schmutzigen Schesch um den Kopf gewickelt, Steine klopften. Der billige Diesel schnürte die Luft zum Atmen ab, griff die Lungen an, 67
    biß sich in den Augen fest. Wir versuchten die Fliegen zu verscheuchen, die hartnäckig um unsere Köpfe schwirrten. Auf dem Boulevard Emir Abdelkader herrschte das größte Verkehrschaos.
    Hupen und Motorradlärm erfüllten die Luft, so daß man sein eigenes Wort nicht verstand. Auch hier, im tiefen Süden, beherrschten Soldaten und Polizisten das Straßenbild. Man spürte eine Spannung, eine Furcht, das Warten auf eine unbekannte Gewalt. Die Angst war überall, man konnte sie kaum ignorieren. Eine Bombe mochte jederzeit losgehen. Wir kamen an dem Marktplatz vorbei, der von einem überdachten Säulengang umgeben war. Uns bot sich ein Bild, das die Reiseprospekte gern als »lebendiges Mittelalter« priesen. Die Händler kauerten im Sand, sie hatten ihre Ware vor sich auf Tüchern ausgebreitet oder lagerten sie in Körben. Obst und Gemüse war kaum zu sehen, dafür jede Menge dicker, dunkler Datteln, glänzend vor Zucker, oder auch solche, die klein und vertrocknet aussahen.
    Vor dem Kornhändler häuften sich Berge von Weizen und Hafer.
    Die Käufer – Männer zumeist – griffen hinein, befühlten, beschnupperten, kauten, während die Händler gelassen neben ihren Waagen hockten. Wir betrachteten amüsiert die Mittelchen eines Apothekers: Hustenpastillen, Kräutermixturen, getrocknete Eidechsen, Schädel und Knochen aller möglicher Kleintiere.
    Sinnigerweise befand sich der Stand des Metzgers gleich daneben.
    Kuhhälften, in Sackleinen eingenäht, baumelten, den Brummfliegen ausgeliefert, in der prallen Sonne. Ein junger Mann zerlegte eine Ziege, die an einem Haken hing, schnitt Leber, Magen, Herz heraus und legte sie in einen Kessel. Rund um ihn war der Sand schwarz von Blut. Wir machten einen Bogen, warfen lieber einen Blick auf die Lippenstifte, Pinzetten und Parfüms, die eine schwarz vermummte Frau verkaufte. Sie streckte

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