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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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gesprochen.«
    Ohne mir dessen bewußt zu werden, duzte ich ihn. Elias nickte.
    »Sie wird dir gesagt haben, daß ich im Adrar war.«
    »Das ist ziemlich weit weg. Achthundert Kilometer, oder so?«
    Er blinzelte verschmitzt.
    113
    »Ich würde sagen, gleich nebenan…«
    »Dein Sinn für Entfernungen ist bizarr.«
    »Tuareg sind bizarr, das solltest du wissen.«
    Er sprach scherzhaft. Ich fragte:
    »Und wie kommst du in diese Gegend?«
    »Ich habe auf dem Rückweg ein paar Zelte besucht.«
    »Ein paar Zelte?«
    »Ja. Man verbringt viel Zeit in jedem Zelt.«
    Alle lachten. Elias lachte auch. Ich reichte ihm den Plastikbecher; er nahm ihn mit beiden Händen, wie es die Höflichkeit erforderte. Bei den Tuareg legt man Wert auf schöne, förmliche Gesten. Kultur bis in die Fingerspitzen. Unsere Hände streiften einander, und ich spürte ein leises Flattern in der Magengegend. Zum Trinken zog Elias den Schleier fort und zum erstenmal sah ich sein Gesicht. Die Ähnlichkeit mit Zara war unverkennbar, obwohl seine Züge kantiger waren. Er hatte dieselbe hohe Stirn, die schmalen Schläfen, das etwas stumpfe Profil. Seine Augen waren von einem vergoldeten Grau, hatten auffallend große Pupillen. Falkenaugen, die ohne zu blinzeln in die Helligkeit schauten und merkwürdig eindringlich blickten. Elias war bartlos, wie viele Tuareg es sind, trug jedoch einen leichten Flaum auf den Wangen. Über dem sanften Gesicht mit den hohen Backenknochen lag ein eigensinniger, verwegener Ausdruck. Die vollen Lippen, das etwas eckige Kinn, die ganze Erscheinung hatte etwas erregend Lebendiges an sich. Er kostete den Kaffee und lächelte mich an. Ich lächelte trotzig zurück.
    »Trink deinen Kaffee, Elias. Auch wenn er dir nicht schmeckt. Ich mache schlechten Kaffee…«
    Er brach in schallendes Gelächter aus; er lachte, daß er sich fast verschluckte. Er hatte die weißesten Zähne, die ich je gesehen hatte.
    »Er ist gut«, sagte er und nahm einen zweiten Schluck.
    »Wir wissen alle, daß Tamaras Kaffee nichts taugt«, sagte Thuy vorwurfsvoll.
    »Es ist wahr«, pflichtete ich ihr schuldbewußt bei.
    Meine Leute ließen uns allein, machten sich am Wagen zu schaffen und sahen nach, ob das fachgerecht eingepackte Filmmaterial keinen Schaden genommen hatte. Elias trank seinen Kaffee ohne Hast. Er hatte das gleiche Lächeln wie Zara. Fast war es, als schimmerte ihr Antlitz in seinem Gesicht. Wie alt mochte er sein? Ein paar Jahre älter als ich, nahm ich an. In den Augenwinkeln lagen kleine Falten, und die Adern auf seinem schmalen Handrücken zeichneten sich 114
    deutlich ab. Jetzt wandte er sich mir zu.
    »Ich war damals fünf oder sechs, aber ich erinnere mich gut an Olivia. Wie geht es ihr jetzt?«
    Ich seufzte.
    »Wenn man von Olivia spricht, muß man sich Zeit nehmen.«
    »Du meinst, daß sie unglücklich ist?«
    »Ich werde aus ihr nicht klug. Sie ist bockig, mußt du wissen.«
    »Warum ist sie nie wieder nach Algerien gekommen?«
    »Ich kann es nicht sagen. Ich glaube, sie hat Angst, den Dingen ins Gesicht zu sehen.«
    Er nickte versonnen, trank einen Schluck.
    »Sie nahm sich viel Zeit für uns Kinder, sang uns Lieder vor, brachte uns Spiele bei.«
    »Sie war Lehrerin. Sie konnte gut mit Kindern umgehen.«
    Elias betrachtete mich über den Rand seines Bechers.
    »Weißt du«, sagte er langsam, »dich habe ich auch nie vergessen. Du warst blond, viel heller als jetzt. Ich dachte an die Erzählungen meiner Mutter und war fasziniert.«
    Ich sah ihn fragend an, und er fuhr fort:
    »Amenena kannte viele Fabeln und Legenden; solche, die ihre eigene Mutter erzählte, die sie vom Hörensagen kannte, solche, die sie erfand. Sie hatte, so kam es mir vor, alle Märchen der Sahara im Kopf.«
    »Und was hatten die mit mir zu tun?«
    »In vielen Geschichten verwandelten sich alte Hirtenfrauen in wunderschöne Feen, die verirrte Karawanentreiber retteten. Oft waren diese Feen blond wie Sand in der Morgensonne, sagte Amenena. Sie hatte zwar nie von blonden Feenkindern erzählt, aber ich lief trotzdem hinter dir her und grapschte nach deinem Haar. Das hat dir nicht gefallen.«
    »Ach nein?«
    »Nein. Du hast dich gewehrt. Mit Tritten gegen das Schienbein.«
    »Nicht gerade freundlich von einem Feenkind!«
    Wir lachten beide. Dann wurde sein Gesicht wieder ernst.
    »Später, du weißt ja, da wurde alles anders. Olivia kehrte nach Belgien zurück. Sie tauschte Briefe mit Zara, aber sie kam nur noch selten, und dann überhaupt nicht mehr. Mein Vater

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