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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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aufbrechen, bevor die Hitze zunimmt.«
    »Können Sie uns den Weg beschreiben?« fragte Enrique.
    »Ich führe Sie hin«, sagte Elias. »Sie werden einen Schutzgeist brauchen.«
    Ein leiser Schauer lief mir über den Rücken. Elias sah mir 117
    unverwandt ins Gesicht. Tiefe, ruhige, ein wenig traurige Augen hatte er. Ich betrachtete ihn mit Verwunderung; von seinem Anblick, das wußte ich, würde ich nie wieder loskommen. Meine Leute indessen bedankten sich erfreut; ihre Erleichterung war spürbar. Sie gingen zu den Wagen, um ihre Sachen zusammenzupacken. Elias und ich blieben alleine zurück. Meine Erregung beruhigte sich. Ich atmete tief.
    »Verlierst du nicht zuviel Zeit, Elias?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte er langsam, »daß ich irgend etwas zu verlieren hätte.«
    Seine Augen ruhten unverwandt auf mir. Ich erwiderte selbstvergessen seinen Blick.
    »Eigentlich wollte ich nie mehr zurückkommen. Ich dachte, was habe ich hier zu suchen? Und in letzter Zeit, siehst du, da war es merkwürdig, welche Lust ich hatte, das alles wiederzusehen…«
    Ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Da sind wir am gleichen Punkt, du und ich. Wir haben die Wahl; entweder bleiben wir, wo wir sind, oder wir kommen zurück. Wenn wir zurückkommen, bestimmt dieses Land unsere Stimmungslage. Und das mag manchmal sehr schwierig sein.«
    »Am Ende ist es nicht der Mühe wert?«
    Er sah mich aufmerksam an.
    »Ich weiß es nicht. Es ist sehr wichtig, daß man die Realität sieht.
    Aber an manchen Tagen muß man sich in Träume retten.«
    Offenbar wußte er sich, wenn nötig, Illusionen zu verschaffen. »Man betrügt sich selbst, um bei Verstand zu bleiben«, setzte er hinzu.
    »Ich kann mir das vorstellen«, erwiderte ich.
    Das war alles. Wir schwiegen lange, den Blick aufeinander gerichtet, erhoben uns fast im gleichen Atemzug. Elias zog mit einer geschickten Bewegung den Schleier bis unter die Augen. Mit federnden, leichten Schritten ging er zu seinem Mehari. Er trug Sandalen aus türkisfarbenem Leder, die durch eine Schlaufe am großen Zeh festgehalten wurden und die durch ihre flache Form ein bequemes Gehen im Sand ermöglichten. An den schlanken, braunen Fesseln haftete der ewige Staub der Wüste, es schien, als seien sie mit Zimt überpudert. Elias wies auf den Falben, der uns böse anstarrte und ein unsympathisches Knurren hören ließ.
    »Sein Name ist Atlar – der Helle. Er ist ein eigenwilliger Bursche, aber ich werde schon mit ihm fertig.«
    Er ließ seine Sandalen von den Füßen gleiten, befestigte sie am 118
    Sattelknauf. Dann band er sich den grüngeflochtenen Zügel um das Handgelenk und schwang sich geschmeidig in den Sattel. Atlar warf fauchend seinen Kopf nach hinten, dann den beweglichen Hals nach vorn, und schon stand er auf den Beinen. Elias nickte uns zu.
    »Ich reite voraus.«
    Er schnalzte mit der Zunge, setzte durch Fersendruck sein Tier in Bewegung. Schon hatte der Falbe eine Volte gedreht, entfernte sich unter sanftem Geklingel der Kupferschellen. Erst jetzt merkte ich, daß Thuy mit unserer kleinen Video-Kamera gefilmt hatte. Sie wandte sich mir zu. Unsere Blicke trafen sich. Sie seufzte mit bitter herabgezogenen Mundwinkeln.
    »Gibt es irgend etwas, das wir tun können, um solche Bilder auf dieser Erde zu bewahren?«
    Ich schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein, es gibt nichts.«
    »Das ist es, was mir angst macht«, sagte Thuy.
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13. Kapitel
    D ie Sonne stieg; Hitzedunst lag über der Erde, der Himmel war fahl, die Schatten waren kurz. Mit kraftvoll dröhnenden Motoren holperten die Landrover über die versandete Piste. Ich fuhr den ersten Wagen, Rocco den zweiten. Enrique saß neben mir, und Adil lag, so gut es ging, auf Decken gestützt, hinten im Wagen. Über Schlackenfeldern und weißen Sandmulden glitzerte die Luft wie eine phantastische Lagune, ein kristallklarer See. Es war kein gutes Gelände für Fahrzeuge. Im Sand schaukelten die Wagen heftig, wir kamen nur langsam voran. Elias hatte bereits einen erheblichen Vorsprung gewonnen. In der Weite der Luftspiegelung glich der Reiter, der gleichmäßig vor uns her trabte, fast ohne Schwere, ohne Substanz, einer märchenhaften Vogelgestalt. Der Wind blies, die Ebene bestand nur aus wogendem, trockenem Dunst. Die Wüste, gold und schwefelfarben, erstrahlte im Licht; die riesige Fläche sah aus wie ein Strand. Von Süden her schaute ein hoher, merkwürdig geformter Kegel über den Horizont. Langsam trat er aus dem Hitzedunst hervor. Die Zeit

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