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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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kam noch aus seinem Mund.
    Während Serge bei dem Verletzten blieb, suchten wir im zweiten Wagen Schutz. Wir pferchten uns hinein, schlugen die Türen zu. Im Wagen herrschte Gluthitze, der Sand drang durch alle Ritzen. Rocco hielt die Klappe; er hatte keinen Grund, mit sich zufrieden zu sein, 106
    und Feingefühl hatte er nie besessen. Draußen tobte der Sturm, orgelte und fauchte. Es war, als schlüge ein gewaltiger Hammer auf das Autodach. Wir sahen schrecklich aus, hatten aufgesprungene Lippen, entzündete Augen, und konnten uns nur schreiend verständigen.
    »Was machen wir ohne Adil?« schrie Enrique.
    »Fahren können wir selbst«, schrie ich zurück. »Er muß uns nur den Weg zeigen!«
    Enrique schüttelte den Kopf.
    »Das wird verdammt ungemütlich.«
    »Immer mit der Ruhe. Arbeiten werden wir jedenfalls.«
    »Das hier kann zwei oder drei Tage dauern«, sagte Enrique.
    »Oder fünf«, sagte ich.
    Stunden verstrichen. Es wurde Abend. Der Wind brauste und heulte, die Dämmerung war tiefrot und düster. Unsere Welt schrumpfte auf die Größe unseres Fahrzeuges ein: Alles, was sich im Wagen befand, ließ sich fühlen oder ertasten; draußen aber war nichts, nur feinkörnige, rote, tosende Undurchdringlichkeit.
    Dann wurde es Nacht. Die Welt verschwand und kam nur noch durch Geräusche zu uns. Wir starrten blind in die Finsternis, unsere Kehlen waren trocken, unser Denken war erlahmt, und jeder Muskel schmerzte. Wir aßen Brot und Weichkäse; wir tranken nicht dazu –
    wir soffen! Wir waren eingeschlossen in der Dunkelheit, im Heulen und Toben, und hatten Angst. Wir mußten um jeden Preis vermeiden, daß sich der Sand auf der Leeseite anhäufte, die Wagentüren endgültig blockierte und die Fahrzeuge selbst zum Kern einer Düne wurden. Was tun? Erschöpfung, Finsternis und Lärm wirkten lähmend. Trotzdem faßten wir einen Entschluß: Wir würden im halbstündlichen Turnus arbeiten, die einen würden schaufeln, die anderen schlafen.
    Im Laufe der Nacht wurde unsere Arbeit immer mechanischer, wir schaufelten im Halbschlaf, von Ohrensausen und Kopfschmerzen gepeinigt. Mein Oberarm war inzwischen schwarz geworden und tat höllisch weh. Der Sand kam Welle auf Welle, zermürbte uns alle.
    Wir verausgabten uns völlig, bestanden schließlich nur noch aus steifen Rücken, zitternden Beinen, bleischweren Armen. Irgendwann fiel uns auf, daß die schrecklichen Windstöße an Gewalt verloren.
    Mit dem Verblassen der Sterne wurde der Wind beständiger, bevor er allmählich nachließ. Es wurde Tag, und die Welt kehrte zurück, rostrot und durchzogen von schillernden Lichtstreifen. Weit im 107
    Osten schwebte die Sonne hinter wehenden Sandschleiern als purpurne Scheibe empor. Die Wagen standen bis zu den Stoßdämpfern in Sandmassen. Und hoch über unseren Köpfen wölbte sich eine Düne auf der Piste, ragte weich gerundet empor wie eine glühende Riesenwoge im Morgenlicht. Der Kamm zerfiel und schien bereit, bei der geringsten Erschütterung auf uns herabzustürzen.
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12. Kapitel
    A dil ging es nicht gut. Serge, der bei ihm die Nacht verbracht hatte, gab ihm, sobald er wieder bei Bewußtsein war, soviel zu trinken, wie er wollte. Doch beide saßen fest; bevor sie aus dem Wagen herauskonnten, mußten wir die Tür freischaufeln. Es dauerte eine ganze Weile, bis Adil, von Serge gestützt, schwerfällig aus dem Wagen stieg. Er hielt sich den Kopf, redete irr und matt in Tamasbek, der Sprache der Tuareg aus dem Süden.
    »Ein paar Tage Ruhe«, sagte Serge, »und er ist wieder auf dem Damm.«
    Ich fluchte still in mich hinein, fluchte wegen Rocco, wegen des Wetters, wegen der immer noch versandeten Wagen. Wir führten Adil in den Schatten, halfen ihm, sich hinzulegen. Rocco mischte sich nicht ein, hantierte beflissen mit dem Gaskocher. Bald dampfte eine Bouillonsuppe; danach gab es starken Kaffee mit Kondensmilch aus der Tube. Das Frühstück war den Umständen entsprechend vorzüglich, und Rocco leistete den heiligen Schwur, nie mehr schneller als siebzig zu fahren. Wir nahmen es skeptisch zur Kenntnis. Adil trank etwas Suppe, wies aber den Kaffee zurück.
    Serge flößte ihm wieder Tropfen ein, deckte ihn gut zu und ließ ihn schlafen.
    Inzwischen untersuchten Enrique und ich die Gegend im Umkreis der Wagen. Der Sand war zu meterhohen Kegeln angewachsen, die Piste verschwunden, das Gebirge hinter Schleiern verschwunden.
    Wir fanden nicht den geringsten Anhaltspunkt, der uns einen Hinweis hätte geben können, wo wir uns

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