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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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verging; die Berge kamen näher. Das Mehari trabte unermüdlich, wie vom Wind getragen. Die kraftvollen Beine bewegten sich in einem schaukelnden Rhythmus. Das Gewand des Reiters leuchtete geisterhaft weiß, wie Salz in der Sonne.
    Enrique sah gedankenvoll auf die Uhr.
    »Bald zwei Stunden, in dieser Gluthitze! Jedes Pferd hätte sich längst die Lungen aus dem Leib gerannt.«
    »Pferde sind für die Wüste untauglich.«
    »Gibt es hier keine?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Kaum noch. Das Land ist zu trocken geworden. Manche Tuareg halten sich Pferde als Paradetiere, weil man auf ihnen eine gute Figur macht. Tuareg sind eitel, das hast du doch sicher bemerkt?«
    »Ja«, sagte er lachend, »eindeutig!«
    »Ich bin auch eitel, und wie! Wie könnte ich nicht eitel sein mit meinen Erbanlagen?«
    Er lachte noch mehr.
    »Du solltest dir ein Pferd anschaffen.«
    »Ehrlich gesagt, lieber ein Rennkamel. Hast du dir Atlar genau angesehen? Der schafft täglich bis zu hundertfünfzig Kilometer. Das Tempo hält er drei Tage durch. Dann benötigt er zehn Tage Ruhe 120
    und gutes Futter, damit er sich von der Strapaze erholt. Zur Tränke muß er nur alle paar Wochen. Daneben haßt er seinen Reiter und läuft weg, wenn er kann.«
    »Madre de Dios!« murmelte Enrique.
    Allmählich schlug Elias eine andere Richtung ein; er verließ die Piste, ritt in weitem Bogen der Bergkette entgegen. Wir fuhren jetzt leicht bergauf über eine steinige Hochebene, die im gleißenden Licht wie Silex glitzerte. Die Berge kamen näher, versperrten die Sicht auf den Himmel. Im Laufe der Jahrtausende hatten Naturgewalten Felsen losgerissen und übereinandergeworfen. Die abgeschliffenen Steine waren vom Wind poliert und hatten die Farbe von gebranntem Ton. Meist lag auf einer Klippe ein schräger Gesteinsblock und darauf noch einer und noch einer, so daß sie eine Art Treppe bildeten. An den Felsbrocken klebten große Dünenkämme; die gewaltigen Sandmassen glichen Wellen, Phantome eines versunkenen Meeres. Ja, die Wüste sprach ihre eigene Sprache. Die Menschen, die hier geboren wurden, lebten kaum noch in irdischen Räumen und Dimensionen, sondern am Saum der Unendlichkeit.
    Kein Wunder, daß sie eitel waren! Es wäre wahrhaftig schlimm, wenn sie es nicht gewesen wären. Und unpraktisch obendrein.
    Plötzlich sahen wir, daß Elias sein Mehari angehalten hatte und auf uns wartete. Ich gab Rocco Blickzeichen und zog die Handbremse an. Beide Wagen fuhren langsamer, hielten schließlich. Ich kurbelte die Scheibe herunter und sah zu Elias empor. Der Motor zischte ein paarmal und wurde still. Elias’ Stimme vermischte sich mit dem Rauschen des Windes.
    »Wir sind da!«
    Ich rief aus dem Fenster:
    »Wo ist der Udan?«
    Er streckte den Arm aus.
    »Gleich hinter dir!«
    Wir wandten den Kopf. Das also war der »Geisterberg«. Eigentlich hatte ich ihn mir anders vorgestellt: steiler, gewaltiger, hochmütiger.
    Die kegelartige Form mit der scharf hervortretenden Rillenstruktur war eindeutig vulkanischen Ursprungs. Ein sich sanft aufschwingender Gipfel, majestätisch und harmonisch. An ihm war nichts Furchterregendes, aber ich verstand nichts von Bergen und konnte mich täuschen. Das einzig Merkwürdige mochte seine Farbe sein: ein fast schwärzlicher Bronzeton, der an manchen Stellen in Rostrot überging und sich von der zumeist graugetönten 121
    Gebirgskette abhob. Elias nickte mir zu.
    »Der Wind hat die Sandnebel aufgelöst. Der Gipfel ist selten so gut sichtbar.«
    Ich spürte einen Kloß in der Kehle.
    »Was nun?«
    »Von hier aus geht es zu Fuß weiter.«
    »Wie lange?«
    »Eine Stunde oder so.«
    Wir stiegen aus, taumelten in der Gluthitze, stapften mit steifen Beinen durch die Kiesel. Wir schüttelten den Staub aus den Decken und breiteten sie unter einem Felsen aus. Rocco zündete den Gaskocher an. Inzwischen nahm Elias dem Falben den Sattel ab und stellte ihn auf den Boden. Ich trat näher, um ihn zu betrachten. Der Sattel war aufwendig und prachtvoll gearbeitet. Die Außenseite des Handgriffs und die mit scharlachrotem Leder überzogene Rückenstütze waren mit Kupferbeschlägen und bunten Stickereien verziert. Ich strich mit der Hand darüber.
    »Wunderschöne Arbeit!«
    »Es gibt mehrere Arten von Sätteln«, sagte Elias. »Diesen hier nennt man Tamsak. Ich habe ihn bei einem Schmied in Agadez machen lassen.« Er grinste mich an. »Danach war ich ein paar Monate pleite.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Für einen besonders kostbaren Sattel sind

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