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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sich verdichtete, als der Abendwind aufkam und es schlagartig eiskalt wurde. Doch Adil hatte Holz gesammelt und ein Feuer angezündet; es glühte in der Ferne, wie ein roter Funken in der Nacht, und wies uns den Weg.
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14. Kapitel
    S päter, als wir am Feuer saßen, empfanden wir mehr Müdigkeit als Hunger. Die Flammen prasselten hell und warm. Unsere Gestalten hoben sich wie Scherenschnitte von dem roten Hintergrund des Feuers ab. Adil, der sich nützlich machen wollte, hatte Suppe und Teigwaren gekocht, die in einer scharfen roten Sauce schwammen.
    Danach machte er Tee, und wir besprachen den morgigen Tag. Wir kamen zu dem Schluß, daß wir wohl einige Tage in der Schlucht verbringen mußten. Am besten erschien es uns, an Ort und Stelle zu kampieren; es galt, die guten Lichtverhältnisse frühmorgens und am Nachmittag zu nutzen. Inzwischen sollte Adil die Wagen bewachen und dafür sorgen, daß das Mebari Futter fand.
    Mit der Weisung allerdings, körperliche Anstrengung zu vermeiden.
    Wir würden ihm Rauchpatronen für ein Notsignal dalassen. Rocco zeigte ihm, wie sie funktionierten. Ich hatte Adil den vollen Lohn zugesichert, und dazu eine Entschädigung, und er war zumindest beruhigt.
    Später verließen Elias und ich die Feuerstelle, gingen in die Nacht hinaus. Schweigend wanderten wir Seite an Seite. Ich nahm den leichten Geruch nach Sand, Minze und Leder wahr, der von ihm ausging. Zwischen uns war eine leise Befangenheit aufgekommen.
    Nach einer Weile brach ich das Schweigen.
    »Wirst du nicht in Tarn erwartet?«
    »Was macht das schon?« erwiderte er.
    Ich schaute ihn an.
    »Matali hatte mir vorausgesagt, daß wir uns begegnen würden. Ich habe ihm nicht geglaubt.«
    Er kicherte hinter seinem Schleier.
    »Matali ist fast hundert Jahre alt. Da wird man entweder senil oder sehr weise.«
    »Senil«, sagte ich, »kann es nicht sein.«
    »Nein.«
    Der Himmel war pechschwarz. Überall, wohin ich auch schaute, waren Sterne; fast schien es, als berühre ein Stern den anderen. Ich sagte leise:
    »Wie schön der Himmel ist.«
    »Der Himmel ist unser frühester Zeitmesser«, sagte Elias. »Wenn du lange genau hinschaust, siehst du die Drehung der Sternenbilder.«
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    »Ich kann’s nicht«, erwiderte ich kopfschüttelnd, »ich habe keine Geduld.«
    »Du wirst es schon noch lernen.«
    Es war eiskalt. Ich wickelte mich enger in meine Daunenjacke.
    »Bevor ich nach Algerien fuhr, war ich bei Olivia. Sie sagte, daß du für Zara die Briefe schreibst. Wo hast du so gut Französisch gelernt?«
    »Ich war zuerst auf der Grundschule in Tarn. Da war die Unterrichtssprache Arabisch. Dann kam ich in ein Internat, nach Algier. Dort war Französisch Wahlfach. Das Internat nahm nur die Kinder der besseren Schichten auf, deren Vater Beamte oder Offiziere waren. Mein Vater war Parlamentsmitglied, also paßte ich in den Rahmen. Er ließ sich meine Ausbildung etwas kosten. Somit wurde ich, wie man hier sagt, à l’europeenne erzogen, was bedeutete, daß man alle möglichen Kulturen auf gut Glück vermischte. Immerhin gelang es mir, mich an den Gebrauch einer Gabel zu gewöhnen.«
    Ich brach in Lachen aus. Die Tuareg sind die einzigen afrikanischen Nomaden, die die Speisen mit einem Eßlöffel und nicht mit den Fingern in den Mund führen.
    »Das ist wahrhaftig bemerkenswert! Und dann?«
    »Dann mußte ich zum Militärdienst.«
    Elias machte eine Pause und sprach dann langsamer; es war, als sträube er sich gegen das, was er sagte.
    »Ich bekam eine Uniform, einen Helm und ein Gewehr. Es wurde eine schwere Zeit. Nicht nur für mich, für die Ausbilder auch. Ich tat ihnen nicht den Gefallen, mich in einen Algerier verwandeln zu lassen. Von ihrem Standpunkt aus war ich der totale Anarchist. Daß ich von der Religion nichts wissen wollte, erhitzte obendrein die Gemüter. Folglich beschuldigte man mich des Kufr, der Weigerung, Allahs Worte zu hören, was ja im Grunde nicht falsch war. Wir Ihaggaren haben einen angeborenen Hang zur Rebellion. Sind die Weichen einmal in diese Richtung gestellt, macht uns der Drill kein bißchen weise. Ich konnte mich nicht anpassen. Mir war die Dienerhaltung der auf dem Rücken gekreuzten Hände zuwider, und ich haßte es, mich in Richtung Mekka niederzuwerfen, wenn die richtige Zeit dafür war. Kurzum, ich bekam die Strafen für ungefähr alles, was in der Kaserne passierte. Achtzig Prozent der Zeit, die ich beim Militär verbrachte, bestanden daraus, im Knast herumzuhocken. Eingesperrt zu sein ist

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