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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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müssen.
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    »Auch wenn sie mit Leid und Schmerz verbunden sind?«
    Er hob etwas den Kopf und sah an mir vorbei; das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen.
    Dann sah er wieder zu mir herab, mit diesem eigentümlich offenen und gleichsam fernen Blick. Ein Seufzer hob seine Brust. Er sagte leise, wie zu sich selbst:
    »Man weiß es nie im voraus. Vielleicht ist die Liebe eine andere Form der Hoffnung? Und am Ende, siehst du, ist es der Mühe wert.«
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18. Kapitel
    W ir filmten in der Höhle. Am frühen Morgen, bevor wir uns auf den Weg machten, hatten wir alle Geräte genau überprüft, die mechanischen Teile gereinigt. Wir waren uns alle einig, daß die Lichtgestaltung heikel war. Enrique hatte eine Vorliebe für ungewöhnliche Kamerapositionen. Thuy und er nahmen sich jede Wand einzeln vor. Das Ausleuchten kostete uns viel Zeit, wir mußten auf manches verzichten. Enrique arbeitete mit offener Linse, aber bei ihm ging es nie auf Kosten der Qualität. Dabei verließ er sich, wie üblich, ganz auf mich.
    »Tamara weiß genau, was sie tut«, sagte er zu Elias. »Es sieht nur so aus, als ob sie es nicht wüßte.«
    Elias nickte nur. Auch ich sagte nichts; ich hatte wieder Kopfschmerzen, mußte meine Gedanken beisammenhalten und war auch mit dem Herzen nicht wirklich dabei. Die Grotte bekam mir nicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, als berührte ein kalter Finger meinen Hals. Die Bilder traten aus der Wand auf uns zu, schlugen uns förmlich in ihren Bann. Und doch empfand ich tiefen Widerwillen gegen diesen Ort. Elias stand schweigend abseits; sein Blick war dunkel und starr. Die Erinnerungen der Tuareg wehten durch ein Vakuum; sie berührten nicht mehr die Dinge, die sich im Dunkeln verbargen. Elias befand sich zwischen zwei Welten. Er ertrug dies mit weniger Gleichmut als die meisten; er war ein Mann, der alle Fesseln kannte und begriffen hatte, warum er sich von ihnen lösen mußte.
    Ich gab, während Enrique filmte, mit leiser Stimme meine Anweisungen. Kein Objektiv sieht wirklich, was das menschliche Auge sieht. Aber mit einem Weitwinkelobjektiv lassen sich interessante Effekte erzielen. Der Hintergrund scheint weit weg zu sein, ist aber dafür schärfer und besser zu erkennen. Das Licht schadete den Farben, ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich wollte die Bilder so filmen, daß sie eine Unruhe zum Ausdruck brachten. Die Unruhe vielleicht, die ich selber empfand. Das Licht, mit Farbfilter verändert, vermochte sie eindringlich, fast melodramatisch einzufangen.
    »Was hast du denn?« rief Serge mir plötzlich zu. »Ist dir nicht gut?«
    Ich warf ihm einen zornigen Blick zu.
    »Warte doch. Ich denke nach.«
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    Also merkte man mir die Kopfschmerzen an; das ärgerte mich. Ich sah zu Elias hinüber, dessen Brauen sich leicht zusammenzogen. Er hörte uns nicht zu, er horchte auf etwas in sich selbst. Ich wandte mich von ihm ab; er sollte nicht sehen, in welchem Zustand ich war.
    Ich hatte Angst, tödliche, trockene Angst, und wußte nicht wovor.
    »Die Zeichen sind überall, aber wir sehen sie nicht oder wollen sie nicht sehen«, hatte Elias gesagt. Die Arbeit spannte mich aufs äußerste an, ich hatte nur den einzigen Wunsch, die Höhle zu verlassen. Aber es durfte nicht so weit kommen. Ausflüchte vor mir selbst hatte ich immer gehaßt. Ich mißachtete jene, die sich nie der beruhigenden Gewißheit berauben ließen: ich verachtete ihre Selbstzufriedenheit, bemitleidete ihre schläfrigen Tugenden. Ich gab mich nicht mit Routinedenken zufrieden, ließ es nicht zu, daß meine eigenen Ängste mich hemmten. Und in dieser Sache hier, da mußte etwas geschehen.
    Ich besprach mit Enrique und Thuy, was ich durch die Verwendung unterschiedlicher Objektive erreichen wollte. Dann ging es los. Wir drehten zuerst auf normaler Augenhöhe, dann unterhalb der Augenhöhe. Auf diese Weise kam zum Ende hin die Decke zum Vorschein. Das Gefühl dieser wachsenden Einengung trug dazu bei, daß sich die Spannung steigerte. Dann gab ich den Bildern wieder Raum, indem ich die Kamera auf die höchste Position über der Augenhöhe wandern ließ. Da wir ausschließlich mit künstlichem Licht arbeiten mußten, verzichtete ich fast völlig auf Gegenlicht.
    Aber ich wollte die Farben übertrieben haben, die Rottöne noch roter, die Blautöne blauer. Rocco brummte ein wenig, aber er montierte die Gelatinefilter auf die Objektive. Nun wurde jede Bildsequenz so oft wie möglich unterschiedlich ausgeleuchtet, manchmal mit starkem

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