Wuestentochter
sage, die zu mir kommt: Wähle deinen Weg, und gehe ihn bis zum Ende. Aber letztendlich bist du es, die diese Wahl treffen muss, Khalidah. Niemand kann sie dir abnehmen.«
11
Saladin hatte ein Geständnis von Bilal al-Hassani erwartet und vermutet, dass er seinen Vetter Numair beschuldigen würde, aber trotz seiner jahrelangen Erfahrung darin, in den Herzen anderer Menschen zu lesen, hätte der Sultan nie gedacht, dass der junge Beduine ein so furchtbares Geheimnis hüten könnte. Es lag an den Augen, entschied er. Wasserklare blaue Augen waren seiner Meinung nach zu Falschheit und Verstellung nicht fähig - eigentlich lächerlich, dachte er jetzt, wenn man bedachte, dass Blau die vorherrschende Augenfarbe der Franken war.
Während er Bilals seltsamer Geschichte lauschte - de Rideforts altem Fehltritt, einer Ayyubidenprinzessin, die sich bei einem Beduinenstamm verbergen musste, ein Bastardkind und Täuschungen über Täuschungen -, erwog er die Möglichkeiten, die ihm jetzt offenstanden. Und als der Junge schließlich am ganzen Leibe zitternd verstummte, stellte er ihm eine Frage, mit der Bilal am allerwenigsten gerechnet hätte.
»Sag mir … liebst du deinen Vater?«
Bilals Lippen verzogen sich zu einem verzerrten Lächeln, dann lachte er bitter auf. »Ich sähe seinen Kopf am liebsten auf einer Lanze aufgespießt.«
Der Sultan hob die Brauen. »Eigenartige Worte aus dem Mund eines Jungen, den man durch eine bloße Drohung dazu bringen konnte, zum Verräter zu werden.«
»Seitdem habe ich mich sehr verändert«, verteidigte sich Bilal.
»Mein Sohn hat sich auch sehr verändert.« Jetzt schwang ein anklagender Unterton in seiner Stimme mit. »Wie lange weiß er schon, was du mir gerade gesagt hast?«
Bilal betrachtete angelegentlich den Wandbehang ihm gegenüber, dann erwiderte er: »Das ist nicht der Grund für die Veränderung, die mit ihm vorgegangen ist.«
»Das habe ich dich nicht gefragt«, gab der Sultan barsch zurück, verärgert darüber, dass der Junge seine wahre Absicht so rasch durchschaut hatte.
»Aber hast du nicht genau das gemeint, Herr?« Bilal sah Saladin direkt in die Augen. Der Sultan hielt seinem Blick unverwandt stand, sagte aber nichts. »Er weiß es seit Oultrejourdain - ich habe es ihm gebeichtet, als der Sandsturm uns in diesem Wadi festgehalten hat. Und danach habe ich mich von de Ridefort losgesagt«, fügte er rasch hinzu.
Saladin forderte ihn durch ein stummes Nicken zum Weitersprechen auf.
»Herr …« Bilal seufzte. »Dein Sohn leidet seelische Qualen. Ich bin nicht die Ursache dafür, wünschte aber, ich wäre es, denn dann könnte ich ihm vielleicht helfen …« Er schüttelte den Kopf, dachte einen Moment nach und fuhr dann fort: »Cresson hat diese Veränderung herbeigeführt.«
»Das ergibt keinen Sinn«, beharrte der Sultan. »Ich habe Salim in unzähligen Schlachten beobachtet. Er ist kein hirnloser Hasenfuß.«
»Nein, das ist er nicht«, bestätigte Bilal. »Aber bei Cresson verhielt es sich anders als sonst. Bis zu dieser Schlacht hatten wir immer gegen Männer gekämpft, die uns kaltblütig getötet hätten, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen hätten.«
»Und bei Cresson habt ihr gegen Tempelritter gekämpft.« Leiser Spott klang in Saladins Stimme mit. »Glaubst du, sie hätten euch verschont?«
»Nein«, erwiderte Bilal müde. »Natürlich nicht. Aber an diesem Tag lag eine nahezu greif bare Verzweiflung über ihnen … als wüssten sie, dass sie gar nicht dort sein sollten. Und dann sah sich Salim gezwungen, den Templermarschall zu töten …« Er schüttelte den Kopf. »Kanntest du Jacques de Mailly, Herr?« Ohne die Antwort des Sultans abzuwarten fuhr er fort: »Er hätte bei Cresson nicht sterben dürfen. Er hätte nie in diese Schlacht verstrickt werden dürfen. Ich glaube, das hat Salim erkannt, als er ihn tötete, und da hat er zum ersten Mal die Dunkelheit in sich selbst gesehen. In dieser Dunkelheit irrt er seither umher.«
»Berichtige mich, wenn ich mich irre«, entgegnete Saladin bedächtig. »Du willst mir zu verstehen geben, dass die Veränderung, die mein Sohn durchgemacht hat, durch den Tod eines fränkischen Ritters ausgelöst wurde?«
»Nun … das ist eine mögliche Sichtweise.«
»Würde es ihm helfen, wenn er wüsste, dass Gérard de Ridefort für de Maillys Tod verantwortlich war - genauer gesagt für den Tod all dieser Templer?«
»Er weiß bereits, dass der Angriff auf uns auf de Rideforts Befehl hin erfolgt
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