Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
widmete sich der Sultan wieder seinen Papieren. Bilal erhob sich, um das Zelt zu verlassen, doch als er nach der Klappe griff, hielt Saladin ihn zurück. »Noch etwas: Du brauchst um deine Mutter keine Angst zu haben. In diesem Teil der Geschichte liegt für mich die makaberste Ironie. Es stimmt, ihr Mann war ein grausamer Rohling - ja, war. Ein paar Monate nach der Flucht deiner Mutter wurde er von einem Geldverleiher, den er betrogen hatte, buchstäblich in Stücke gehackt. Numair hat dich also auch belogen - von wem auch immer er das alles weiß, er hat es nicht von ihrem Mann erfahren. Und selbst wenn dieser noch am Leben wäre, hätte ich nie zugelassen, dass er auch nur einen einzigen Stein auf deine Mutter wirft. Kein Mann wird Zeyneb bint Ibrahim al-Ayyubi auch nur ein Haar krümmen, und genauso wenig würde ich dulden, dass ihrem Sohn ein Leid geschieht. Bilal ibn Zeyneb al-Ayyubi … das klingt doch gar nicht schlecht, nicht wahr?«
    Wieder spielte ein Lächeln um seine Lippen. Bilal nickte, dann stolperte er ins Freie hinaus. Eine benommene Euphorie hatte von ihm Besitz ergriffen, denn während all der Monate, in denen er seinen Hass auf seinen Vater genährt hatte, war es ihm nie in den Sinn gekommen, dass Numair ihm unwissentlich noch eine andere Familie beschert hatte.
     Die Frankenburg von Saffuriyya verdiente diese Bezeichnung kaum. Nach Ansicht Numairs, der mit den mächtigen Festungen Kerak und Shawbak als Vorbildern aufgewachsen war, sah dieser kleine Steinwürfel aus, als habe eine riesige Hand ihn ausgequetscht und dann auf einen niedrigen Hügel gesetzt, damit er dort verdorrte. Doch die Umgebung entschädigte ihn für die Armseligkeit der Burg, und er hatte die Wochen zwischen seiner Desertion von den Tiberias-Truppen und de Rideforts Rückkehr nicht ungern in einem kleinen Wäldchen ausgeharrt, und war in der Morgen- und Abenddämmerung, wo für ihn die geringste Gefahr bestand, gesehen zu werden, auf die Jagd gegangen. Oft hatte er im Schatten der Teehäuser und Schänken Posten bezogen und gelauscht, wenn Nachrichten von dem Massaker von Cresson, Tripolis’ Kapitulation, des fränkischen Heerbanns und schließlich von der sich in der Stadt zu versammeln beginnenden Armee die Runde machten.
    Als er auf diese Weise auch erfuhr, dass de Ridefort sich wieder in der Burg aufhielt, machte er sich auf den Weg dorthin. Jetzt saß er in der so genannten großen Halle an einem Fenster, nippte an einem Glas süßen Wein und betrachtete die sanft geschwungenen, fruchtbaren Hügel Galiläas. Er hätte gern in Ruhe den Frieden genossen, den diese Landschaft ausstrahlte, aber de Ridefort war nicht in der Stimmung dafür.
    »Was soll das heißen, du gehst nicht zurück?«, fuhr er auf, als Numair ihm seinen Entschluss mitteilte, und stellte den Becher so unsanft auf den Tisch zurück, dass etwas Wein über seine Hand schwappte, was seinen Zorn noch schürte.
    »Genau das, was ich gesagt habe«, gab Numair mit lässiger Arroganz zurück. »Ich habe genug von dem Armeeleben, und ich habe während meiner Zeit im Lager des Sultans nichts in Erfahrung bringen können, was für Euch von Nutzen sein könnte. Außerdem scheint mir Euer Sohn als Spion weit geeigneter zu sein. Bezieht Eure Informationen doch in Zukunft von ihm.«
    Numair hatte den Großmeister mit diesem Zusatz beschwichtigen wollen, doch statt dessen steigerte sich de Rideforts Wut noch. »Erwähne diese kleine Ratte ja nie wieder!«, donnerte er.
    Ein Anflug von Besorgnis keimte in Numair auf. Vorsichtig fragte er: »Warum nicht? Was hat er denn getan?«
    »Er hat mich beleidigt«, grollte de Ridefort. »Und wenn du die Augen offen gehalten hättest, dann wäre dir aufgefallen, dass er sich schon vor einiger Zeit wegen dieses kleinen Ayyubidensodomiten von uns abgewandt hat. Wir können ihn nicht mehr brauchen - im Grunde genommen konnten wir das noch nie.«
    De Rideforts eisblaue Augen ruhten mit einem Ausdruck auf Numair, der diesem noch weniger gefiel als seine Worte. »Woher wisst Ihr das?«, fragte er.
    »Weil er es mir gesagt hat.«
    »Er hat es Euch gesagt?«, wiederholte Numair ungläubig. »Und Ihr habt ihn am Leben gelassen?«
    De Ridefort zögerte mit der Antwort, was für Numair den Schluss nahe legte, dass hinter dieser Geschichte noch mehr steckte, als der Großmeister zugab. »Mir blieb nichts anderes übrig«, murmelte er. »Aber es kommt noch schlimmer. Der Sultan hat mich aus seinen Diensten entlassen. Was das bedeutet - für

Weitere Kostenlose Bücher