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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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hatte. Die Dschinn mussten keine Karten zu Rate ziehen; die Wege wurden von den ältesten Mitgliedern der Armee ausgewählt, denen sie sich anscheinend in das Gedächtnis eingebrannt hatten.
    Als sie Jassirah erreichten, wandten sie sich gen Norden, sodass sie die Marschen vollkommen umgingen. Ein paar Tage lang folgten sie dem großen Fluss Al-Furat, ehe sie in Richtung Westen abbogen und in die felsige syrische Wüste gelangten. Dort begannen sie Kundschafter auszusenden, die interessante Nachrichten zurückbrachten. Graf Tripolis hatte sich nach irgendeiner katastrophalen Schlacht vom Sultan abgewandt und war wieder zu den Franken übergelaufen. König Guy zog in der Nähe der Küste seine Armee zusammen; der Sultan verlegte seine eigene Armee gen Süden, in Richtung der Grenze zum fränkischen Königreich. Die Dschinn erkannten die Bedeutung dieses Entschlusses nicht, aber Khalidah war beeindruckt: Zu einer kühneren Kriegserklärung hätte Saladin kaum greifen können.
    Sie wandte sich an den Kundschafter. »Die Schlacht, von der du gesprochen hast - die, die Tripolis bewogen hat, wieder mit Guy gemeinsame Sache zu machen - weißt du noch mehr darüber?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Nur, dass sie vor ungefähr sechs Wochen stattfand und ein Orden fränkischer Ritter dabei fast vollständig ausgelöscht wurde.«
    »Welcher Orden?«, bohrte Khalidah weiter.
    »›Der Orden‹, mehr hat der Mann, den ich fragte, nicht gesagt. Er schien davon auszugehen, dass ich wüsste, was er meint.«
    Khalidah dachte an ihren Alptraum, an den schönen Prinzen, der den Kopf des Templers gespalten hatte und wünschte, sie wäre ein Mann, um selbst losreiten und Erkundigungen einziehen zu können. Aber sie befanden sich wieder in einem streng islamischen Land, und es war für eine Frau nicht nur gefährlich, auf eigene Faust durch die Gegend zu streifen, sondern auch sinnlos: Niemand würde überhaupt erst mit ihr reden. Also musste sie sich mit den Informationen begnügen, die die Kundschafter ihr brachten.
    Die Armee ritt jetzt nachts; einerseits, um nicht aufzufallen, andererseits, um der tagsüber herrschenden sengenden Wüstenhitze zu entgehen. Die Dschinn beklagten sich nie, doch Khalidah sah ihnen an, dass die Reise an ihren Kräften zehrte - die wenigsten hatten je eine solche Hitze ertragen müssen. Endlich kam eine Woche nach Mittsommer ein Kundschafter frühmorgens zum Lager zurückgaloppiert und berichtete, er habe die Armee des Sultans auf den Golanhöhen lagern sehen.
    »Und sie ist riesig«, keuchte er atemlos. »Größer als jede Armee, die du dir vorstellen kannst. Ihre Lagerfeuer flackern auf den Höhen wie Kerzen auf einem Altar, und ich konnte weder einen Anfang noch ein Ende erkennen.«
    Viele Dschinn wollten daraufhin das Lager, das sie gerade erst aufgeschlagen hatten, sofort wieder abbrechen und sich auf den Weg zu Saladin machen. Khalidah gelang es nur mühsam, sie davon abzubringen.
    »Das würde an Selbstmord grenzen«, gab sie zu bedenken. »Wenn  wir uns ihnen jetzt nähern würden, würden wir sofort erschossen, denn sie stehen kurz davor, ihren nächsten Schritt zu machen und werden nicht zulassen, dass irgendwer oder irgendetwas ihre Pläne gefährdet. Nein - wir werden heute hier lagern, und heute Abend …«
    Sie brach ab, weil sie keine Ahnung hatte, was sie am Abend tun würde. An diesem Tag fand Khalidah keinen Schlaf, sie wälzte sich neben Sulayman ruhelos von einer Seite auf die andere. Sie hatte vergessen, wie sengend die Hitze hier war; sie sog die Schweißperlen von ihrer Haut, kaum dass sie sich gebildet hatten, und ließ eine feine weiße Salzkruste zurück. Endlich kroch sie aus ihrem kleinen weißen Zelt, schlenderte zum Rand des Lagers, blieb dort stehen und spähte über die endlose leere Wüste hinweg zum Horizont hinüber. Einen Moment lang kam es ihr so vor, als wäre sie nie fort gewesen - als wären die letzten Monate nur ein Traum gewesen und sie würde, wenn sie sich umdrehte, nicht die weißen Zelte der Dschinn, sondern die um die Oase herum aufgeschlagenen schwarzen ihres Vaters erblicken.
    Eine schmale Hand schob sich in die ihre. »Was siehst du denn dort?«, fragte Abi Gul.
    Khalidah drückte ihre Hand. »Nichts«, erwiderte sie. »Wir sind so weit gekommen, und ich weiß immer noch nicht, wie ich uns zu unserem Ziel bringen soll.«
    Abi Gul kniff die grüngoldenen Augen zusammen, um sie vor dem grellen Licht und dem heißen Wind zu schützen, und dachte eine

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