Wuestentochter
Neffen Taqi ad-Din angeführten Trupp zusammengeschlossen, dem auch Sulayman angehörte. Sulayman ritt zu Khalidah hinüber, während sich die muslimischen Führer zusammensetzten und ihre Pläne besprachen.
»Wie war euer Ritt?«, fragte er Khalidah, doch es war Abi Gul, die antwortete.
»Langweilig. Auf dem ganzen Weg sind wir auf keinen einzigen Franken gestoßen.«
Sulayman nickte. »Sie halten sich bedeckt. Wir hab en einen ihrer Kundschaftertrupps in der Ferne gesehen, aber sie haben sofort kehrtgemacht, als sie uns entdeckten, und sind zum Lager zurückgeflüchtet.«
»Was für ein Mensch ist Taqi ad-Din eigentlich?«, erkundigte sich Khalidah neugierig.
Sulayman zuckte die Achseln und nahm einen Schluck aus seinem Wasserschlauch. »So, wie man sich einen berühmten amir vorstellt: sehr von sich überzeugt und arrogant, aber zweifellos kompetent. Seine Männer respektieren ihn. Mehr kann ich erst sagen, wenn ich ihn kämpfen gesehen habe.«
Khalidah nickte. »Wie geht es den anderen?«
»Wie Abi Gul schon sagte - sie langweilen sich. Sie wissen nicht, wie sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen sollen, wenn es zu keinerlei Kämpfen kommt. Aber sie verhalten sich ruhig. Befolgen ihre Befehle wie die Lämmer.«
»Hoffentlich bleibt das auch so«, meinte Khalidah. Ihr blieb keine Zeit, mehr zu sagen, denn die umara gaben das Zeichen zum Aufbruch.
Der Sultan und sein Neffe hatten beschlossen, weiter auf das Lager der Franken vorzurücken und einmal mehr zu versuchen, sie herauszulocken. Obwohl ein erfahrener Befehlshaber unter allen Umständen in Saffuriyya bleiben würde, war Guy so unsicher und wankelmütig, dass er sich vielleicht vom Anblick der feindlichen Armee kurz vor seinem Lager zu einer Dummheit verleiten lassen würde. Also setzten sie ihren Weg fort - noch langsamer als zuvor und immer auf der Hut vor einem plötzlichen Angriff. Aber trotz Abi Guls Wachsamkeit war es die halb blinde Sandara, die Alarm schlug.
»Dort«, raunte sie Khalidah zu, dabei deutete sie mit dem Kinn zu dem Olivenhain zu ihrer Rechten hinüber, in dem sich etwas bewegte. Khalidah erhaschte einen Blick auf etwas Weißes, Flatterndes - so flüchtig und so schnell wieder verschwunden, dass es sich auch um einen Vogel gehandelt haben konnte, doch ihr Instinkt sagte ihr etwas anderes. Sie hatte darauf bestanden, dass die Dschinn in ihrer Sichtweite blieben, und jetzt war sie für diese Vorsichtsmaßnahme dankbar. Es bedurfte nur eines stummen Befehls, und die Dschinn teilten sich in zwei Gruppen, die Saladin umringten. Auf dem Gesicht des Sultans spiegelte sich Zorn ob dieser Eigenmächtigkeit wider, der kurz in Verwirrung umschlug, als ein Pfeil an seinem rechten Ohr vorbeischwirrte. Dann wurde ihm klar, was hier vor sich ging, und seine Miene drückte grimmige Entschlossenheit aus.
Als er sich umdrehte, um seinen Mamluken einige Befehle zuzubellen, stürmte eine kleine Schar Ritter zwischen den Bäumen hervor. Die noch immer auf die Muslime niederprasselnden Pfeile legten den Schluss nah, dass sich im Wald überdies Bogenschützen versteckt hielten. Die Ritter waren bereits in Zweikämpfe mit den Leibwächtern des Sultans verstrickt, die inzwischen einen dichten Ring um ihn gebildet hatten. Ein kurzer Blick verriet Khalidah, dass das Kampfgeschick der Franken ebenso eingerostet schien wie ihre Waffen; die Männer des Sultans würden sie ohne große Mühe in die Flucht schlagen können. Doch die Bogenschützen bereiteten ihr Sorgen, sie zielten entschieden zu gut. Sie zog einen Pfeil aus der Rüstung des Mannes neben ihr und inspizierte ihn. Der Schaft war glatt, die Befiederung bestand aus sauber zurechtgeschnittenen Fasanenfedern, die Spitze aus geschmiedetem Eisen.
Sie warf den Pfeil fort, musterte die Dschinn und stellte fest, dass sie zu demselben Schluss gekommen waren wie sie. Augenblicklich ließen sie von dem ab, was sie gerade taten, schlossen sich wieder zu zwei Gruppen zusammen und verschwanden zu beiden Seiten des Pfades im Wald. Khalidah fing einen Blick des Sultans auf. Saladin funkelte sie aus dem Kreis seiner Mamluken heraus finster an. Zweifellos glaubte er, dass sie desertieren wollten - oder Schlimmeres. Khalidah seufzte, wandte sich wieder zu den Bäumen und verbannte ihn vorübergehend aus ihren Gedanken.
Im Wald schwärmten die Dschinn aus, hielten aber Blickkontakt mit mindestens einem ihrer Kameraden. Der jetzt von Pausen unterbrochene Pfeilbeschuss verriet Khalidah, dass die fränkischen
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