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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Mann mit einem kühlen, ruhigen Blick. »Deswegen werde ich mit der schweren Kavallerie hier in Kafr Sabt bleiben, bis wir sehen, wie unsere Einladung aufgenommen wird. Gökböri wird die Tiberias-Division befehligen, Taqi ad-Din eine weitere zu der Ebene hinter den Hügeln führen, die als Hörner von Hattin bekannt sind, um die zweite Route zu blockieren, über die die Franken nach Tiberias gelangen können, wenn sie uns nicht hier entgegentreten. Ich habe die Listen bereits zusammengestellt; diej enigen von euch, deren Namen ich gleich aufrufe, werden ihre Männer morgen früh beim ersten Tageslicht bereithalten, um nach Tiberias zu reiten.«
    Khalidahs Gedanken schweiften ab, als er eine lange Liste von Namen zu verlesen begann, sodass sie ›al-Dschinn‹ fast überhört hätte, wenn Sulayman nicht sacht ihre Hand berührt hätte. Er lächelte sie an, doch sie empfand keinen Stolz, ihre abgrundtiefe Erschöpfung war stärker. Auf dem Rückweg zu ihrem Zelt versuchte sie sich begreiflich zu machen, dass sie morgen in eine Schlacht ziehen würde - keinen Auf klärungsritt unternehmen, keinen kleineren  Kampf bestreiten, sondern eine Stadt belagern - aber ihr Schlafbedürfnis drohte sie allmählich zu überwältigen. Doch auch jetzt war ihr keine Ruhe vergönnt, denn als sie ihr neues Lager erreichten, war dieses von Licht, Lärm und ausgelassener Fröhlichkeit erfüllt, fast, als würde dort ein Fest gefeiert. Abi Gul gesellte sich zu ihr, dann Bilal, der genauso verwirrt aussah, wie Khalidah sich fühlte. Abi Gul griff nach ihrer Hand und zog sie von ihrem staubigen kleinen Zelt weg zu einem anderen, größeren hinüber, dessen Eingangsklappe aufgerollt war. Licht und Klänge einer na’ay strömten heraus.
    Das Mädchen plapperte aufgeregt auf Paschtu auf sie ein, doch Khalidah war so benommen, dass die Worte kaum zu ihr durchdrangen. Hilfe suchend drehte sie sich zu Sulayman um. Dieser jedoch blickte zu dem erleuchteten Zelt hinüber. Sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging. Khalidah folgte seinem Blick und sah eine kleine Gestalt auf sich zukommen. Eine zweite hielt sich zögernd dahinter. Doch dieses Bild ergab erst einen Sinn, als Sulayman das aussprach, was ihr schon längst hätte klar geworden sein müssen.
    »Es ist dein Vater, Khalidah.«
    Abd al-Aziz trat auf seine Tochter zu. Sein Gesicht wirkte zerfurchter, als sie es in Erinnerung hatte, die Wangenknochen traten stärker hervor, kleine Fältchen zogen sich um seine Augen. Erst als er die Arme nach ihr ausstreckte, registrierte Khalidah, dass er lächelte. Er umarmte sie - presste sie an sich, als könne er nicht glauben, dass sie kein Trugbild war - und stammelte immer wieder ihren Namen. Als er sie endlich freigab, sah sie, dass die zweite Gestalt jetzt Bilal in die Arme geschlossen hatte. Und dann drückte Zeyneb sie auch schon an sich und redete unentwegt auf sie ein, während ihr die Tränen über die Wangen rannen.
    »Aber was tust du denn hier?«, fragte Khalidah, als Zeyneb sie endlich zu Wort kommen ließ. »Dieses Lager ist nicht der richtige Ort für dich.«
    »Nicht der richtige Ort für mich!«, entrüstete sich Zeyneb. »Hört sie euch an - als ob es der richtige Ort für ein junges Mädchen wäre!« Sie schüttelte den Kopf. »Du hast zweifellos Recht, Khalidah, aber ich habe ja keine andere Wahl. Wenn er hier ist …«, sie nickte zu Abd al-Aziz hinüber, „… dann ist mein Platz an seiner Seite.«
    Khalidahs Blick wanderte verwirrt von ihrem Vater zu Zeyneb und dann zu Bilal, der genauso verdutzt wirkte. Doch Sulayman hatte zu lächeln begonnen, und da erst fiel ihr auf, dass ihr Vater und Zeyneb einander an den Händen hielten. Noch ehe sie sich einen Reim darauf machen konnte, ergriff ihr Vater das Wort.
    »Kinder, ihr müsst uns gratulieren und euch dann küssen, denn von nun an seid ihr Geschwister. Zeyneb und ich sind jetzt Mann und Frau.«
     Zeyneb hatte anscheinend schon seit längerer Zeit gewusst, was Bilal erst vor kurzem erfahren hatte: dass ihr erster Mann tot war und es ihr frei stand, sich erneut zu vermählen. Sie sprach von Schutz, Abd al-Aziz von politischen Motiven, aber trotz aller logischen Begründungen konnte Khalidah sehen, dass sie einander aufrichtig zugetan waren. Trotzdem empfand sie diese Verbindung als seltsam, seltsamer noch als die von Bilal und Salim. Sie konnte nicht aufhören, ihren Vater und Zeyneb als die beiden entgegengesetzten Pole ihrer Kindheit zu betrachten, die nur

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