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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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verstohlen nach rechts und links, wenn er sich von Numair unbeobachtet glaubte, und was er sah, ließ auch noch den Rest seiner Zuversicht schwinden. Alle Männer, an denen sie vorbeikamen, wirkten eingeschüchtert und verhärmt.
    Bilal folgte Numair in den Bergfried, wo dieser stehen blieb und in gebrochenem Französisch ein paar Worte mit einem Mann in einer weißen Tunika mit einem roten Kreuz auf der Brust wechselte. Den Anweisungen des Mannes folgend führte er Bilal dann in eine winzige Kammer, die fast vollständig von einem hölzernen Tisch ausgefüllt wurde. An diesem Tisch saß ein Mann und trug etwas in ein Kontobuch ein. Als er auf blickte, schöpfte Bilal neue Hoffnung, denn wenn dieser Mann der Vater war, von dem Numair gesprochen hatte, dann war er alle Strapazen wert, die Bilal seinetwegen auf sich genommen hatte. Er trug das Kettenhemd eines Ritters und einen schlichten dunklen Mantel, musste um die dreißig sein, hatte kurzes rotbraunes Haar, einen sauber gestutzten Bart und warme braune Augen, die Dinge zu sehen schienen, die anderen verborgen blieben. Er strahlte eine natürliche Freundlichkeit aus, die die Menschen unwiderstehlich zu ihm hinzog.
    »Seid Ihr …«, begann Bilal auf Französisch, doch Numair unterbrach ihn sofort in scharfem Arabisch: »Still jetzt!«, gefolgt von einem finsteren Blick.
    Bilals Hoffnung erstarb, und der Ritter, der seinen Gesichtsausdruck bemerkte und zu verstehen schien, schenkte ihm ein flüchtiges, mitfühlendes Lächeln. In dem Blick, der Numair traf, lag dagegen abgrundtiefer Argwohn. »Wir hatten noch nicht so bald mit dir gerechnet, al-Hassani«, sagte er auf Arabisch. Er beherrschte die Sprache fließend, und sein Akzent ließ sie angenehm und melodisch klingen, was Bilal zusätzlich bezauberte.
    »Ich muss augenblicklich Euren Meister sprechen«, schnarrte Numair.
    »Es ist noch sehr früh«, erwiderte der Ritter. »Der Meister schläft noch.«
    »Dann weckt ihn«, grollte Numair. »Diese Angelegenheit duldet keinen Aufschub!«
    Der junge Ritter seufzte. »Und was soll ich sagen, wenn er nach deinem Anliegen fragt?«
    Numair musterte Bilal einen Moment lang nachdenklich. »Sagt ihm, ich hätte jemanden mitgebracht, der für ihn von größtem Interesse ist.«
    Mit einem neugierigen Blick in Bilals Richtung klappte der Ritter das Buch zu und verließ den Raum. Sowie er außer Hörweite war, fragte Bilal: »Wer war dieser Mann?«
    »Jacques de Mailly«, entgegnete Numair knapp. »Der Marschall des Templerordens und für uns nicht von Bedeutung.«
    Während sie auf de Maillys Rückkehr warteten, grübelte Bilal über dessen ›Meister‹ und die anscheinend sehr intimen Kenntnisse von Brins Arnats persönlichen Gewohnheiten nach, und ein furchtbarer Verdacht nahm in seinem Kopf Gestalt an. Als de Mailly zurückkam und ihnen mitteilte, dass sein Herr sie jetzt empfangen würde, hatte sich der Verdacht bereits zur Gewissheit verhärtet. Benommen folgte er de Mailly durch die Gänge, und als der Ritter vor einer eisenbeschlagenen Tür stehen blieb, zitterte Bilal am ganzen Leib. De Mailly nickte ihm zu und zog sich zurück. Numair klopfte an die Tür.
    »Entrez«, erklang eine Männerstimme.
    Numair stieß die Tür auf. In dem Raum saß ein Mann neben einem Bronzebecken und stocherte müßig in den Kohlen herum. Er blickte auf, als Numair und Bilal eintraten. Das Licht, das durch das Fenster hinter ihm fiel, tauchte sein Gesicht in Schatten, doch die Feindseligkeit in seiner Stimme war unüberhörbar, als er sagte: »Schließ die Tür.« Numair machte keine Anstalten, der Aufforderung zu folgen, also schloss Bilal sie.
    Der Mann beugte sich vor. Bilal erhaschte einen Blick auf helle Augen in einem goldenen Gesicht, bevor der Mann Numair anherrschte: »Ich habe dir doch befohlen, niemals jemanden hierher mitzubringen.«
    Numair lächelte - ein hartes, kaltes Lächeln. »Verzeiht mir, Herr, aber ich dachte, Ihr würdet gern Euren Sohn kennen lernen. Gérard de Ridefort, darf ich Euch Bilal ibn Zeyneb al-Qabbani vorstellen? Bilal, hör auf, Maulaffen feilzuhalten und begrüße deinen Vater mit dem Respekt, der dem Großmeister des Templerordens gebührt.«
     Bilals Erleichterung darüber, nicht Arnats Sohn zu sein, war nicht von langer Dauer. Er brauchte nur wenige Momente, um zu erkennen, dass Gérard de Ridefort als Vater eine ebenso schlechte Wahl war. Er mochte zwar gut aussehen, aber er verströmte auch eine unterschwellige Kälte und Skrupellosigkeit, die

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