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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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ab als die vieler Muslime, die ich kenne.«
    Der Mond schob sich hinter einer Wolke hervor und tauchte das Land in einen silbernen Schein. »Ich verstehe«, gab Khalidah leise zurück. »Was hast du denn einen Monat lang dort getan?«
    »Hauptsächlich Tor Gul Khan zugehört. Er ist ein großer Lehrer und ein großer Denker. Er hat mir Frieden und meinem Leben einen Sinn gegeben, während mein Körper genas. Als ich wieder vollständig zu Kräften gekommen war, wies er mich an, mit seinen Kriegern zu trainieren. Er wollte, dass ich ihre Kampftechnik erlerne, aber ich fürchte, ich war eine bittere Enttäuschung für ihn, denn als ich die Übungskämpfe der Dschinn beobachtete, wusste ich, warum man sie als Dämonen bezeichnete. Sie bewegen sich mit einer geräuschlosen Anmut, um die sie jeder Dieb beneiden würde. Sie scheinen aus dem Nichts aufzutauchen: ein Wirbelwind, ein verschwommener Fleck, und plötzlich ist der Strohmann enthauptet und kein Schwertkämpfer in Sicht. Sogar vom Pferderücken aus kämpfen sie so. Ihre Pferde gehorchen ihnen aufs Wort. Sie können so still stehen, dass sie mit ihrer Umgebung verschmelzen, und einen Moment später jagen sie davon wie Blitze.«
    Er schüttelte seufzend den Kopf. »Die Tage verflogen wie Minuten, und nachts schlief ich tief und fest auf dem Boden des Hauses von Batoor und seiner Frau Warda. Die Mädchen, die mich gepflegt hatten, waren ihre Töchter - sechs an der Zahl. Als sie erfuhren, dass Tor Gul Khan mich akzeptiert hatte, behandelten sie mich wie einen der ihren. Ich wünschte mir nichts mehr, als für immer dort bleiben zu können, aber einen Monat nach unserer ersten Begegnung ließ mich Tor Gul Khan zu sich rufen. Wir saßen auf der Galerie der Klause, und er sprach die Worte aus, vor denen ich mich so fürchtete.
    Ich bat ihn, bleiben und ihm dienen zu dürfen, und er lächelte - ein freundliches, offenes Lächeln so wie das deine - und sagte, ich würde ihm am besten dienen, wenn ich Qaf verließe. Dann erzählte er mir von seiner Tochter Brekhna. Sie war sein Stolz und seine Freude gewesen; eine jener begnadeten Kreaturen, denen alles gelingt, was sie anfassen, und die jedermann bezaubern. Sie hätte seine Nachfolge antreten sollen - ›unsere Rettung sein‹, so lauteten seine Worte.«
    »Rettung wovor?«, fragte Khalidah. »Ich weiß es nicht. Die Dschinn schienen keinerlei Rettung zu bedürfen, aber er erklärte weder, was er mit dieser Bemerkung meinte, noch, was zwischen ihm und seiner Tochter vorgefallen war. Ich weiß nur, was du selbst weißt - dass sie den Stamm verlassen hat und nie zurückgekommen ist. Aber er muss mehr gewusst haben, als er zugegeben hat, denn er wusste über dich Bescheid.«
    »Über mich?«, wiederholte Khalidah. Ein seltsam losgelöstes Gefühl überkam sie.
    Sulayman nickte. »Und deswegen hat er mich auch fortgeschickt - um dich zu suchen.«
    »Aber was will er denn von mir?«
    »Auch danach habe ich nicht gefragt, und er hat es mir nicht gesagt. Aber ich vermute, du sollst den Platz deiner Mutter einnehmen.«
    Khalidah warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Führerin eines  Stammes werden, von dem ich nichts weiß - außer dass es kuffar  sind.«
    Sulayman zuckte die Achseln. »Er beharrte darauf, dass ich dich suche. Es wäre für mich der einzige Weg, nach Qaf zurückzukehren - und das war das Letzte, was er zu mir sagte. Er umarmte mich und gab mir ein Glas Wein. Am nächsten Morgen erwachte ich am Dorfrand unter einem Cannabisbusch. Ich stand auf und trat die Reise in Richtung Westen an.«
    »Und jetzt kehren wir nach Qaf zurück, wie du es immer wolltest.«
    »Das wollte ich damals.«
    »Und heute?«
    Sulayman seufzte. »Ein Teil von mir wünscht sich nichts sehnlicher, als diesen Ort wieder zu sehen. Ein anderer Teil fürchtet sich davor, weil ich weiß, dass ich keiner der ihren bin und deshalb dort auch nie eine Heimat finden werde.«
    Er sah Khalidah an, und diesmal verstand sie seine Bitterkeit. Sie wünschte, ihm irgendwie Trost spenden zu können, aber ihr fiel nichts Passendes ein. Also ritten sie schweigend weiter, bis der neue Tag anbrach. Dann machten sie Halt, um ihre Gebete zu sprechen, und Sulayman machte ein weiteres Versteck ausfindig, wo sie sich tagsüber verbergen würden.
     

8
    Gérard de Ridefort war nicht mit der Absicht nach Outremer gekommen, einen heiligen Ritterorden zu führen. Wie Renauld de Châtillon auch, hatte er auf eine vorteilhafte Heirat gesetzt, um in dem lateinischen

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