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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Bedeutung dieses Wortes gut; er verstand den größten Teil der fränkischen Sprache, wenn sie langsam und deutlich gesprochen wurde. Zwar fand er es empörend, dass er nicht gefragt worden war, ob er überhaupt als Spion eingesetzt werden wollte, aber dann sagte er sich, dass dieses Schicksal einem Messer im Rücken bei weitem vorzuziehen sei.
    »Er hat keinerlei militärische Ausbildung; er kann gerade einmal mit einem ghazi-Speer umgehen«, gab Numair zu bedenken.
    »Das muss geändert werden, sonst besteht keine Hoffnung, dass er je auch nur in die Nähe des Sultans gelangt«, erwiderte de Ridefort. »Ich werde ihn in einer unserer Garnisonen ausbilden lassen. Wir werden den Soldaten dort sagen, dass er für uns in der Armee des Sultans spionieren soll. Niemand wird Fragen stellen, wenn der Befehl direkt von mir kommt.«
    »Glaubt Ihr wirklich, dass ich beabsichtige, ihn aus den Augen zu lassen?«, spottete Numair.
    De Ridefort bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. »Schleif dein Schwert, al-Hassani. Du bist jetzt nämlich der neueste Mudschahed des Sultans.«
    »Aber …«
    »Nichts aber!«, donnerte de Ridefort. »Du bist mir nützlich, aber unersetzlich bist du nicht, und gerade jetzt genügt ein Wort von mir, und du landest in Keraks Kerker. Ich nehme an, dir ist bekannt, was Kerak mit seinen Gefangenen anstellt.«
    Numair schwieg betreten, Bilal erbleichte. Ein grimmiges Lächeln spielte um de Rideforts Lippen. »Es sieht aus, als wären wir uns einig.«
     

9
    Als die Tage verstrichen, gewöhnte sich Khalidah allmählich daran, nachts zu reiten. Die Kälte fraß sich nicht mehr so unerbittlich in ihre Haut, und sie vermochte im Dunkeln besser zu sehen. Am dritten Tag verließen sie die felsige syrische Wüste und gelangten zum Rand der Nafud, der großen Sandwüste Nordarabiens. Khalidah hatte die westliche Grenze der Nafud oft mit ihrem Stamm bereist, sie aber nie durchquert. Niemand durchquerte sie, wenn es nicht unumgänglich nötig war.
    Bei den letzten Felsen am Ufer des riesigen Sandmeeres zügelten sie und Sulayman ihre Pferde. Der kalte Wind der hereinbrechenden Nacht zerrte an ihren Keffiehs und den Schweifen der Stuten; ihre Schatten tanzten über den Sand. Doch Khalidah wusste, dass die Wüste sich am nächsten Morgen langsam in ein weißglühendes Inferno verwandeln würde, in dem sie leicht umkommen konnten.
    »Dort draußen werden wir kein Versteck finden, wo wir tagsüber ausharren können.« Sie drehte sich zu Sulayman um.
    Er saß so reglos auf seinem Pferd wie die Steine neben ihm und blinzelte in den Ostwind. Eine von etwas, was sie nicht sehen konnten, verfolgte Gazellenherde jagte an ihnen vorbei und verschwand in der Ferne. Endlich sah Sulayman sie an. Sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging; seine Augen lagen im Schatten verborgen.
    »Das müssen wir auch nicht«, erwiderte er. »An-Nafud bewahrt ihre Geheimnisse.«
    Mit diesen Worten trieb er Asifa an. Khalidah konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass dies der Moment der Wahrheit war: Sowie Zahirahs Hufe den Sand der großen Wüste berührten, würde das letzte Band zwischen ihr, ihrer Heimat und ihrem alten Leben zerreißen, und sie wusste nicht, ob sie Bedauern, Wehmut oder Furcht empfand. Sulayman drehte sich zu ihr um. Zahirah setzte sich in Bewegung und folgte ihm.
     Sie ritten die ganze Nacht und den frühen Morgen hindurch. Als die Sonne zu sengend wurde, errichteten sie unter Zuhilfenahme ihrer Decken einen primitiven Unterschlupf, um darunter die größte Hitze abzuwarten. Obwohl Khalidah vom Reiten erschöpft war, fand sie keinen Schlaf. Eine Vielzahl fruchtloser Gedanken ging ihr durch den Kopf. Endlich setzte sie sich auf, und einen Moment später tat Sulayman es ihr nach. Er öffnete den Beutel mit Datteln und stellte ihn zwischen sie. Sie saßen schweigend da, verzehrten die Früchte und beobachteten die im Schatten des provisorischen Zeltes Nase an Schwanz dastehenden dösenden Pferde. Eine leichte Brise wirbelte Sand wie Rauchwolken um ihre Knöchel, was Khalidah an eine Frage erinnerte, die sie beschäftigte, seit Sulayman ihr von Qaf erzählt hatte.
    »Wenn die Dschinn menschlich sind«, sagte sie endlich, »woher rühren dann all diese Geschichten, die über sie im Umlauf sind - über ihre Fähigkeit, ihre Gestalt zu verändern, und über die mit Rauch gefüllten Flaschen, aus denen riesenhafte Geister entweichen, wenn sie entkorkt werden?«
    »Danach habe ich nie gefragt«, entgegnete Sulayman.

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