Wuestentochter
verwitterter Mann. Sein rundes Gesicht glich einer Walnuss, Falten lagen um seine schräg stehenden Augen. Er sah sie teilnahmslos an, während er an einer Huka sog. Das Mundstück war aus Knochen geschnitzt, in Form einer Schlange mit Granaten als Augen. Der Rauch, der ihr entströmte, roch süßlich nach Mohn.
»Kann ich euch behilflich sein?«, fragte er auf Arabisch, aber mit persischem Akzent.
»Wie viel verlangst du für das Schwert im Fenster?« Khalidah registrierte verärgert, dass ihre Stimme schrill vor Nervosität klang.
Der Mann musterte sie. »Ihr seid nicht von hier«, stellte er endlich fest. Khalidah gab keine Antwort darauf. »Ihr steht am Beginn einer langen Reise.«
Zwischen wachsendem Unbehagen und der Gewissheit, dieses Schwert unbedingt besitzen zu müssen, hin- und hergerissen erwiderte Khalidah: »Wie jeder Mann in dieser Stadt. Was soll das Schwert denn nun kosten?«
Der Alte stellte seine Pfeife beiseite. Aus dem grinsenden Maul der Schlange quoll noch immer Rauch, als er zum Fenster hinüberhumpelte. Er kramte dort ein wenig herum, kam schließlich mit dem Schwert zurück, legte es neben die Pfeife, nahm seinen Platz auf den Kissen wieder ein und betrachtete es mit einem eigenartigen Glitzern in den Augen. Dann rieb er mit dem Daumen über den Stein im Griff. »Das könnte ein Topas sein. Und selbst wenn es nur Glas ist - es ist eine gute, handliche Waffe, die gerade jetzt, wo so viele muttawiyah auf der Durchreise durch diese Stadt kommen, einen guten Preis erzielen wird. Aber ihr jungen Männer und euer Streben nach Ruhm und Ehre …« Der Ton, in dem er ›junge Männer‹ gesagt hatte, beunruhigte Khalidah noch mehr. Sie wartete ab, was weiter kam, wagte dabei aber nicht, Sulayman anzusehen.
»Aber ihr reist Richtung Osten, nicht gen Westen«, fuhr der Ladenbesitzer fort. Khalidah blickte erstaunt zu ihm auf, doch sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging. Er hielt inne und musterte sie forschend. »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit in dieser Welt, und eine gute Geschichte bedeutet mir genauso viel wie ein paar Münzen. Erzähl mir, wohin du das Schwert mitnehmen willst, dann mache ich dir vielleicht einen guten Preis.« Er lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen zurück.
Khalidah sah ihn durch den Rauch hinweg an. Eine merkwürdige Benommenheit hatte von ihr Besitz ergriffen; es fiel ihr schwer, ihren Blick auf etwas zu konzentrieren. Fast gegen ihren Willen strömten die Worte aus ihr heraus, als hätte die grinsende Schlange sie ihr entlockt. »Es begleitet mich nach Qaf.«
Der alte Mann lächelte ohne jeden Humor. »Das glaube ich nicht«, murmelte er. Im nächsten Moment erwachte der Raum zum Leben. Die von der Decke herabhängenden Läufer fielen zu Boden und gaben den Blick auf drei bewaffnete Männer frei. Sie trugen Beduinengewänder, hatten ihre Keffiehs bis zu den Augen hochgezogen und rückten auf Sulayman und Khalidah vor, während sich der Ladenbesitzer in den Schatten zurückzog. Mit einer einzigen fließenden Bewegung packte Khalidah das Schwert und schlitzte einem Beduinen fast mechanisch die Kehle auf. Dann blickte sie sich um. Sulayman hatte seinen Dolch gezogen und kehrte ihr den Rücken zu, während er den beiden überlebenden Männern entgegentrat.
Die Beduinen umkreisten sie einen Moment lang und griffen dann an. Sie waren gut ausgebildet, konnten aber ihre Kampftechnik in dem engen Raum nicht richtig entfalten, und Khalidah bewegte sich blitzschnell. Sie zog einem zweiten Beduinen die Klinge durch das Gesicht, und als seine Keffieh zerriss, erkannte sie einen von Numairs Gefolgsleuten. Die Haut seiner rechten Wange hing in Fetzen herab, und aus seinem linken Auge strömte Blut. Vor Schmerz und Schreck benommen stolperte er und taumelte gegen seinen Kameraden, der daraufhin das Gleichgewicht verlor. Während die Beduinen versuchten, ihrer Verwirrung Herr zu werden, packte Sulayman Khalidah am Arm und zog sie zur Tür hinaus.
Der unverletzte Beduine machte sich von seinem Gefährten los und setzte ihnen nach. Sulayman entwand Khalidah das Schwert und drückte ihr seinen Dolch in die Hand, dann wirbelte er herum und schob sich zwischen Khalidah und ihren Angreifer. Er schien noch sehr jung zu sein; in den Augen über der Keffieh flackerte blanke Angst. Sein Schwertarm zitterte, als er einen Hieb gegen Sulayman führte, doch es mangelte ihm an Geschick und Erfahrung, und die Furcht machte ihn linkisch und schwerfällig. Als er sich zu weit
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