Wuestentochter
seit dem letzten Abend nicht von der Stelle gerührt zu haben schien, gab ihnen Brot und kleine Tassen mit schwarzem, gallebitterem Kaffee.
»Danke«, sagte Khalidah, als sie sich zum Aufbruch rüsteten.
»Sei auf der Hut«, warnte die Frau mit einer Stimme, die dem durch Sandsteinschluchten pfeifendem Wind glich. »Die Wüstenkatze ist ganz nah.«
»Bitte?« Khalidah gefror das Blut in den Adern.
»In der Nacht kamen ihre Männer herbeigeschlichen.« Die Frau nickte und kicherte in sich hinein, wobei sie ein lückenhaftes Gebiss entblößte. »Aber sie konnten die Wüstentochter nicht finden, denn auch sie hat das Herz einer Wildkatze.« Sie begann zu singen:Du siehst mich mit deinen Augen sonnenverbrannt, eine Wüstentochter zerlumpt und ohne Schuhe mit vom Laufen gestählten Füßen.
Doch ich bin noch immer die Herrin der Geduld und trage ihre Rüstung über dem Herzen einer Wüstenkatze von unerschütterlicher Entschlossenheit erfüllt.
Khalidah und Sulayman verzichteten darauf, auch noch den Rest zu hören, und ritten eilig aus dem Hof. Als sich das Lied der Frau in dem Gewirr der Gassen verlor, fragte Khalidah: »Glaubst du, wir sind verfolgt worden?«
»Schon möglich. Aber ich glaube vor allem, dass die Frau nicht bei Verstand war.«
»Aber solche Worte zu singen …«
»Es war Shánfara«, erwiderte Sulayman.
»Das weiß ich«, fauchte Khalidah. »Die ›Ode in L‹.«
»Ein ziemlich bekanntes Gedicht.«
»Aber wie kam sie darauf? Und die Wüstenkatze … Numair heißt ›Panter‹. Könnte sie gemeint haben …«
»Sie könnte alles Mögliche gemeint haben«, entgegnete Sulayman. »Doch wir können nichts tun, wir können nur hoffen, dass sie nicht bei Sinnen war. Wir werden Vorräte einkaufen und dann zusehen, dass wir diese Stadt möglichst schnell möglichst weit hinter uns lassen. Wenn das, was diese Männer gestern Abend erzählt haben, der Wahrheit entspricht, dann ist Numair unsere geringste Sorge.«
Khalidah dachte einen Moment darüber nach. »Demnach glaubst du, dass Saladin wirklich vorhat, die Franken anzugreifen?«
»Ich denke, er wird zuerst Al-Quds ins Auge fassen.«
Khalidah unterdrückte einen überraschten Ausruf. »Das wäre Irrsinn! Die Franken geben diese Stadt nicht auf, solange noch ein Mann übrig ist, der sie verteidigen kann.«
»Ich vermute, das ist dem Sultan durchaus bekannt.«
Wieder überlegte sie kurz. »Ist er wirklich stark genug, um sie zu besiegen?«
»Wenn er bei der Wahl seiner Verbündeten Vorsicht walten lässt, dann ja.«
Sie ritten durch den suq, in dem sich am Abend zuvor die künftigen Soldaten gedrängt hatten und der jetzt bis auf ein paar Händler, die Ladentüren aufschlossen und Markisen entrollten, verlassen dalag. Sulayman förderte Geld zu Tage, von dem Khalidah gar nicht gewusst hatte, dass er es bei sich trug, und erstand mehr Datteln, getrocknete Kamelmilch, Trockenfleisch, Früchte und Linsen. Sie verstauten die Päckchen zusammen mit den frisch gefüllten Wasserschläuchen in ihren Satteltaschen.
»Das wird erst einmal reichen«, meinte Sulayman. »Aber für die Berge brauchen wir ein Packpferd.«
»Und wo sollen wir eines herbekommen?«, wollte Khalidah wissen.
»Es wird sich schon irgendetwas ergeben«, erwiderte er mit aufreizender Sicherheit und ritt auf das Osttor zu.
Khalidah spähte neugierig in die Läden, an denen sie vorbeikamen. Dann brachte sie Zahirah plötzlich mit einem Ruck zum Stehen. Sulayman sah sofort, was ihr Interesse geweckt hatte. Hinter einem schmutzigen Schaufenster lag inmitten von billigen Gebetsperlen, gesprungenen Hukas und angelaufenen Kerzenhaltern ein Schwert. Sonderlich beeindruckend war es nicht, weder alt noch neu genug, um wertvoll zu sein, mit kurzer Klinge, schlichter Lederscheide und passendem Gürtel. Aber in den Griff war ein Stein eingesetzt, stumpf vor Schmutz, aber trotzdem unverkennbar golden.
Ein Vorgefühl drohenden Unheils überkam Sulayman. »Khalidah …«, begann er, doch sie glitt schon von Zahirahs Rücken und schlang die Zügel um die Eisenstäbe vor dem Fenster. Stirnrunzelnd stieg Sulayman ab und folgte ihr in den Laden.
Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte Khalidah, dass in diesem Laden sehr wenig feilgeboten wurde. Es gab ein paar beschädigte Möbelstücke, einen Haufen verbeulter Töpfe und Tiegel und anderen wertlosen Trödelkram. In der Mitte des Raumes thronte auf einem Stapel schmuddeliger Kissen ein kleiner,
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