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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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begann Khalidah, und als sie merkte, dass sie gleich wieder in Tränen ausbrechen würde, tat sie etwas, was sie seit dem ersten Morgen in der Wüste, an dem sie ihr Kleid gegen Männergewänder getauscht hatte, sorgsam vermieden hatte: Sie nahm ihre Keffieh ab. Ihr langes, nasses Haar fiel ihr über den Rücken.
    »Aha«, entfuhr es Ghassan. Er runzelte die Stirn, aber sein Ärger schien verflogen zu sein. »Nun, mein Kind, wie es aussieht, hast du mir viel zu erzählen. Dreh dich um, dann ziehe ich ihn aus, während du mir berichtest, was euch widerfahren ist … und bitte glaube mir, dass ich ein Freund bin. Du brauchst mich nicht zu belügen.«
    Khalidah glaubte ihm tatsächlich. Sie reichte ihm das Handtuch, kehrte ihm den Rücken zu, sog zischend den Atem ein und begann: »Mein Name ist Khalidah bint Abd al-Aziz al-Hassani, und ich habe Sulayman vor drei Wochen zum ersten Mal gesehen …«
    Während sie Ghassan ihre Geschichte erzählte, sah sie sich verstohlen in seinem Haus um. An den aus Schilf geflochtenen Wänden zogen sich mit Phiolen, Tiegeln und Krügen, Fischfangzubehör und trocknenden Kräutern vollgestopfte Regale entlang. Möbliert war der Raum nur mit einem niedrigen, mit weiteren Kräutern und Gerätschaften zu ihrer Verarbeitung übersäten Holztisch, dem bunten Wollläufer neben dem Kohlebecken und einem ordentlich gemachten Bett in einer Ecke, auf dem sich drei Katzen - eine schwarze, eine weiße und eine bunt gescheckte - räkelten.
    Nachdem sie geendet hatte, sah sie Ghassan an, der an den Tisch getreten war und irgendetwas in einer Schale anrührte. »Und?«, fragte sie.
    »Und was?«
    »Hältst du mich jetzt für verrückt, weil ich von Qaf und den Dschinn gesprochen habe?«
    Er blickte mit milder Nachsicht zu ihr auf. »Warum sollte ich? Ich  habe das alles ja schon von Sulayman selbst gehört. Er hat auf dem Rückweg von Qaf hier Halt gemacht, um meinen Rat einzuholen; er wollte wissen, wie er dich finden kann.«
    Das kam so unverhofft, dass Khalidah nicht wusste, was sie sagen sollte. Stattdessen wandte sie sich Sulayman zu, der jetzt in ein sauberes Leinenlaken gewickelt unter einer Decke lag. Sein Haar trocknete in der Wärme, die das Kohlebecken ausstrahlte, jetzt sehr schnell.
    »Kannst du ihn retten?«, fragte sie ruhig.
    Ghassan betrachtete die scharf riechende Masse in der Schale stirnrunzelnd und gab dann heißes Wasser dazu. Dann faltete er seine knorrigen Hände und sah erneut zu ihr auf. »Du kommst mir nicht wie eine Frau vor, die hofft, dass ihre Fragen mit barmherzigen Lügen beantwortet werden. Deshalb kann ich dir nur sagen, dass ich mein Bestes tun werde. Zum Glück verfüge ich über eine sehr gute Medizin. Sie stammt aus dem Orient, wenn man dem Händler Glauben schenken kann, der sie mir verkauft hat. Dem Preis nach zu urteilen müsste er die Wahrheit gesagt haben. Aber in einem Dorf, in dem so viele Menschen so häufig am Fieber erkranken, ist man gerne bereit, jeden Preis für ein Heilmittel zu bezahlen.«
    »Ich werde dir das Geld zurückerstatten«, erbot sich Khalidah sofort.
    »Sein Leben ist für mich Bezahlung genug«, erwiderte Ghassan grimmig, rührte sein Gebräu noch einmal um und ging dann mit der Schale und einem Löffel zu Sulayman, um mit der undankbaren Aufgabe zu beginnen, ihm die Medizin einzuflößen.
    Khalidah musterte ihn nachdenklich. »Wer bist du für ihn?«
    Ghassan seufzte. »Diese Frage kann nur er dir beantworten. Aber wenn du wissen willst, wer er für mich ist … nun, ich nehme an, der Sohn, den ich nie hatte.«
    »Wie hast du ihn kennen gelernt?«
    Es entstand eine lange Pause, während der er, wie Khalidah wohl  wusste, seine Antwort sorgfältig abwog. Endlich sagte er: »Ich kenne ihn, seit er ein Kind war - seit die Musikantentruppe, mit der er gereist ist, beim Durchqueren der Marschen hier Rast gemacht hat.«
    »Und was und wo ist ›hier‹?«, bohrte sie weiter.
    »Wir befinden uns hier im Dorf des Mubarak-Stammes - einem der zahlreichen Dörfer der ma’dan, den Völkern der Marschen.« Sein Blick ruhte besorgt auf Khalidahs Gesicht. Es wirkte sogar im warmen Schein der Kohlen bleich, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten der Erschöpfung. »Ich weiß, dass du mir viele Fragen stellen willst, Khalidah bint Abd al-Aziz, und ich habe meinerseits viele Fragen an dich. Aber unserem Freund hier wird es schlechter gehen, bevor eine Besserung eintritt, daher werden wir in den kommenden Tagen viel Zeit zum Reden haben. Ruh

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