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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Schwäche so bestimmt, dass sie nicht wagte, Einwände zu erheben. »Dort sind wir nicht sicher. In den Marschen auf der anderen Seite der Stadt lebt ein Freund von mir …« Er brach ab, als hätte er vergessen, was er sagen wollte oder als ergäben die Worte plötzlich keinen Sinn mehr für ihn.
    »Schaffst du es bis dorthin?«
    Er nickte, hatte aber zu zittern begonnen, und seine Zähne schlugen unkontrolliert gegeneinander.
    Als Khalidah das sah, traf die Erkenntnis sie wie ein Schlag. Sie wusste, woran er litt: am Viertagefieber. Sie hatte diese Krankheit oft genug bei anderen Stammesmitgliedern gesehen und sie sogar selbst einmal gehabt. Aber da sie keinerlei Medizin für ihn hatte und ihnen keine andere Wahl blieb, als ihren Weg fortzusetzen, nutzte ihr dieses Wissen wenig. Sie flößte ihm noch etwas Wasser ein und half ihm dann wieder in den Sattel. Sie ritten Seite an Seite, wobei Khalidah Sulayman, dessen Zustand sich zusehends verschlechterte, scharf im Auge behielt. Sulayman selbst schien das rhythmische Auf und Ab des Pferderückens unter ihm, der stetig fallende Regen und die grau verschleierte Landschaft, die an ihnen vorüberglitt, in eine Art Trance zu versetzen. Anfangs schwieg er, dann stieß er unzusammenhängende Sätze hervor; sprach von furchtbaren Kopfschmerzen, von Lichtern, die er im Wasser aufblitzen sah und von einem Mann namens Ghassan.
    Als er diesen Mann, wer immer er auch sein mochte, um Hilfe anflehte, gestand sich Khalidah endlich ein, was sie bereits seit dem Morgen wusste: Wo immer sie auch hinwollten, sie würde sie alleine dorthin bringen müssen. Also packte sie Sulayman bei den Schultern, bevor er das Bewusstsein verlieren konnte, und zwang ihn, seine blutunterlaufenen Augen auf sie zu richten.
    »Sag mir, wie man zu ihm kommt«, beschwor sie ihn. »Zu deinem Freund in den Marschen.«
    »Der … Fluss …«, keuchte er. »Müssen den … Fluss überqueren … die Ma’dan … das schwimmende Dorf … frag nach Ghassan …« Und nachdem er diese dürftigen Informationen herausgekrächzt hatte, sackte er besinnungslos in ihren Armen zusammen.
    »Allbarmherziger Allah …«, begann Khalidah leise, aber da sie keine Ahnung hatte, worum sie beten sollte oder ob Allah ihr überhaupt vergeben hatte und zuhörte, brach sie wieder ab. Es gelang ihr, Sulayman von Asifas Sattel zu ihr auf Zahirahs Rücken hinüberzuziehen, doch als sie versuchte, Asifa am Zügel mit sich zu führen, begann die Stute zu tänzeln und weigerte sich, ihr zu folgen. Vor Erschöpfung und Frustration den Tränen nahe zerrte Khalidah Sulayman wieder auf Asifas Rücken, stieg hinter ihm in den Sattel und dankte Allah und all seinen Engeln dafür, dass die störrische Stute sie nicht gleich wieder abwarf. Nachdem sie Zahirah an Asifas Sattelknauf gebunden hatte, trieb sie die Stute weiter, bis sie die Lichter einer verfallenen Ansiedlung am Ufer eines stark angeschwollenen Flusses vor sich aufblitzen sah.
    Der Dialekt, den die Dorfbewohner sprachen, unterschied sich so stark von ihrem eigenen, dass sie sich mittels Gesten verständlich machen musste, und auch dann war ihre Tortur noch nicht beendet. Sulayman zitterte so heftig, dass der Fährmann überzeugt war, er müsse von einem Dschinn besessen sein, und sich glattweg weigerte, ihn auf sein Boot zu lassen. Es kostete Khalidah die beiden silbernen Backenriemen von Asifas Geschirr, um ihn dazu zu bewegen, seine Meinung zu ändern, und selbst dann rührte er den Kranken und die Pferde nicht an. Ihr blieb nichts anderes übrig, als abzusteigen, Sulayman wie einen Sack Korn auf Asifas Rücken zu binden und dann die Pferde selbst an Bord zu bringen.
    Aber die in der Wüste aufgewachsenen Stuten hatten so viel Wasser noch nie gesehen und schon gar nicht ein darauf treibendes Boot betreten müssen; sie schnaubten und bäumten sich auf, als beherberge die Fähre eine Armee von Teufeln. Der Fährmann und seine Freunde verfolgten mit boshaft funkelnden Augen, wie sie die Tiere mit äußerster Mühe an Bord zerrte und ihre Zügel dann mit Händen, die mittlerweile genauso stark zitterten wie die Sulaymans, mit aller Kraft festhielt. Endlich kam der Fährmann an Bord und steuerte das Boot in den gurgelnden Strom hinaus.
    Als sie endlich wieder trockenes Land erreichten, hatte Khalidah nicht mehr die Kraft, Sulayman im Sattel zu stützen, also ließ sie ihn so, wie er war, auf Asifas Rücken liegen und trieb die verängstigte Stute vor sich her. Der Fährmann hatte das Wort

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