Wuestentochter
schlammigen Teiches. Es war nicht übermäßig heiß, doch die Luft war so feucht, dass ihr Haare und Kleider auf der Haut klebten und sie sich nach der reinen, trockenen Kühle der Wüste sehnte. Die Pferde wurden von Fliegen gepeinigt, sie tänzelten nervös und schlugen mit den Schweifen nach den Plagegeistern. Khalidah, die eine Mücke nach der anderen erschlug, fühlte mit ihnen. Sie zog ihre Decke enger um sich und dachte an erfrischenden Wind, der über Sand wehte.
Als sie endlich einschlief, hatte sie einen seltsamen Traum. Sie war wieder in Wadi Tawil, stand auf dem Hügel, der über das Lager hinwegblickte. Die Sonne war untergegangen, der Himmel tief blau, und die Halbmondsichel ging gerade auf. Gegenüber dem Mond stand eine Wolke am Himmel. Ihre Ränder leuchteten feuerrot. Und während Khalidah diese Wolke betrachtete, verfärbte sie sich tiefschwarz, die Ränder flammten auf, dann nahm sie die Gestalt eines jagenden Löwen an, der Finsternis hinter sich herzog, bis er den Mond mit den Klauen packte und verschlang. Als sich die Dunkelheit um sie schloss, wurde die Welt zu einem Vakuum, und Khalidah spürte, wie ihre Glieder zu erstarren begannen und die Luft aus ihren Lungen gepresst wurde.
Sie erwachte am ganzen Leib zitternd und nach Atem ringend. Es dauerte einige Minuten, bis sie ihrer Panik Herr wurde und registrierte, dass Sulayman ihr eine Hand auf die Stirn gelegt hatte. Sie war für seinen stummen Trost zu dankbar, um zu protestieren. Bald darauf fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Die Sonne ging am nächsten Morgen hinter hohen, zerrissenen Wolken auf. Khalidah fühlte sich besser, doch Sulayman benahm sich seltsam. Er bewegte sich langsam und schwerfällig, weigerte sich, etwas zu essen und trank nur ein paar Schlucke Wasser. Dann ging er zu Asifa und nestelte an ihrem Zaumzeug herum, bis Khalidah zu ihm trat und es der Stute selbst anlegte.
»Geht es dir nicht gut?« Sie forschte besorgt in seinem hohlwangigen Gesicht, aber er schüttelte nur den Kopf und schwang sich entschieden zu mühsam in den Sattel.
Sie stießen auf einen schmalen Pfad, der durch sumpfiges Gelände Richtung Osten führte. Nachdem sie eine Weile geritten waren, ergriff Sulayman endlich das Wort. »Was hat dir letzte Nacht solche Angst eingejagt?« Seine Stimme klang dünn und brüchig.
Khalidah berichtete ihm von ihrem Traum. »Glaubst du, er hat irgendetwas zu bedeuten? So wie der Traum von Brekhna?«
Sulayman sah jetzt nicht nur krank aus, sondern auch besorgt. »Ich weiß es nicht. Oberflächlich betrachtet würde ich sagen, es war einfach nur ein Alptraum … aber die Bilder haben eindeutig Symbolkraft - der fränkische Löwe, der die islamische Mondsichel verschlingt, wenn du so willst …«
»Vielleicht haben aber einfach auch nur meine eigenen Ängste Traumgestalt angenommen.«
Sulayman erwiderte nichts darauf. Sie ritten schweigend weiter, Khalidah diesmal vorneweg. Das Land wurde immer feuchter und morastiger. Sie kamen an Bewässerungskanälen vorbei, sahen Bauern, die mit Wasserbüffeln ihre Felder pflügten oder lange, schlanke Kanus die Kanäle entlangstakten. Der Tag wurde grauer und heißer, und als die Silhouette von Basra in der Ferne auftauchte, hing Regen in der Luft.
»Halt an, Khalidah«, sagte Sulayman plötzlich. »Ich muss mich einen Moment ausruhen.«
Khalidah blickte sich über ihre Schulter hinweg zu ihm um und wünschte augenblicklich, sie hätte dies schon früher getan. Sein Gesicht hatte jegliche Farbe verloren, unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, und er saß zusammengesunken im Sattel, als habe er Schmerzen. Sie brachte Zahirah zum Stehen und stieg ab. Sulayman glitt von Asifas Rücken und lehnte sich gegen ein Bein der Stute. »Es tut mir leid, Khalidah …«
Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn. Seine Haut war so heiß wie die Wüste, die sie hinter sich gelassen hatten. »Wie lange geht es dir schon so schlecht?«, fragte sie behutsam.
Sulayman schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es hat letzte Nacht angefangen. Erst dachte ich, es läge an der Luftveränderung …«
In diesem Moment öffnete der Himmel seine Schleusen und überschüttete sie mit dem heftigsten Regenguss, den sie je erlebt hatten. Sulayman kauerte sich an Asifas Flanke zusammen. Er wirkte krank und elend. Khalidah kämpfte eine Welle der Panik nieder. »Wir können nicht hierbleiben. Bis Basra kann es nicht mehr weit sein.«
»Nein«, widersprach Sulayman trotz seiner offenkundigen
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