Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
Ghassan noch eine Dosis seiner Medizin. Sulayman stürzte sie hinunter, wurde dann totenblass und begann ein paarmal zu würgen, behielt den Trank aber bei sich.
    Sie hatten die Nacht in den Ausläufern des Zagros verbracht und begannen jetzt mit dem Aufstieg. Während der langen Stunden war Khalidah von ihrer Umgebung so gefesselt, dass sie darüber ihre Sorge um Sulayman und ihre immer stärker schmerzenden Muskeln vergaß: Sie sah trockene, schroffe, teilweise von spärlichem Gras bedeckte Hügel; von Schmelzwasser angeschwollene Flüsse, Schluchten, Plateaus und weiße Gipfel in der Ferne. Endlich erreichten sie einen hohen, windigen Berggrat, und Khalidah machte einen Augenblick Halt, um das großartige Panorama zu bewundern, das sich ihr darbot. Der Berghang fiel steil zu einem mit gelbgrünem Gras und Wildblumen bewachsenen Tal ab, an dessen anderem Ende die Berge wieder anstiegen. Überreste alter Mauern zogen sich an den Hängen  entlang. Dahinter erhoben sich noch höhere Gipfel, deren Schneekronen im Licht der untergehenden Sonne blutrot schimmerten.
    »Das ist das Land von Asag«, erklärte Ghassan mit leiser, ehrerbietiger Stimme, »der die Berge zu seinen Frauen genommen und mit ihnen mächtige Felsbrocken als Kinder gezeugt hat und der schließlich im Kampf der Götter von Ninurta getötet wurde …«
    Sulayman lächelte. »Gut, dass dich hier niemand hören kann, sonst würde man dir wegen Gotteslästerung den Kopf von den Schultern nehmen.«
    »Was hat es mit dieser Gegend wirklich auf sich?«, fragte Khalidah.
    »Das Zagros-Gebirge ist das Stammesgebiet der Lur Bozorg«, antwortete Ghassan. »Und dieser Teil hier gehört traditionsgemäß den Bakhtiari.«
    »Und wer ist das?«
    »Die Bakhtiari sind ein Nomadenstamm, ähnlich wie der deine. Sie leben in schwarzen Zelten und ziehen je nach Jahreszeit von einem ihrer Weidegründe zum nächsten, aber sie züchten hauptsächlich Ziegen, keine Pferde. Zurzeit sind sie nicht hier, und ich bin sicher, sie hätten nichts dagegen, dass wir eine Nacht hier lagern. Kommt jetzt. Die Sonne geht unter, und ihr wollt doch bestimmt nicht auf hartem Stein schlafen.« Er trieb Wasim an, packte die Zügel des Ponys und führte seine beiden Begleiter in der hereinbrechenden Dunkelheit in das Tal hinunter.
     In dieser Nacht durchlebte Khalidah Sulaymans Träume. Sie tat es nicht bewusst; die Bilder suchten sie von selbst heim, wenn sie die Augen schloss. Ein Schwert aus Feuer fraß sich tief in seinen Leib, rote Wölfe hetzten ihn durch ein Labyrinth aus schwarzem Vulkangestein. Sie erwachte von seinem Schrei, und er schrie erneut auf, als sie und Ghassan versuchten, die Decke von seinem vor Fieber glühenden Körper zu ziehen, denn er sah sie als geifernde Franken, die ihn mit ihren blitzenden Klingen durchbohren wollten. Am nächsten Morgen war das Delirium abgeklungen, doch es hatte ihn seine letzte Kraft gekostet. Er vermochte noch nicht einmal die Medizin zu schlucken, die Ghassan ihm einzuflößen versuchte. Während er am ganzen Leibe zitternd auf seiner Decke lag, wandte sich Khalidah an den alten Heiler.
    »Wie lange dauert es noch, bis wir unser Ziel erreichen?«
    »Einen Tag, wenn wir unser Tempo halten können und ich den Weg wiederfinde.«
    »Wird er so lange durchhalten?«
    Ghassan seufzte. »Das liegt allein in Allahs Händen.«
    Sie mussten beide all ihre Kraft aufbieten, um Sulayman in den Sattel zu hieven, doch Asifa warf ihn sofort wieder ab; sie musste die Ausdünstungen seiner Krankheit riechen, das redete sich Khalidah zumindest ein, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was das Tier vielleicht sonst noch gewittert haben könnte. Also hob sie ihn mit Ghassans Hilfe auf das kräftige Pony, doch als sie versuchten, Asifa das Gepäck aufzuladen, bäumte sich die Stute schrill wiehernd auf und ließ sich kaum bändigen. Am Ende bekam Zahirah den Packsattel aufgelegt, was sie sich ruhig gefallen ließ, und Khalidah ritt Asifa, die ihren Unmut durch ständiges Scheuen und Hochwerfen des Kopfes kundtat. Khalidah umklammerte die Zügel grimmig und wünschte, sie hätte verhindert, dass Sulayman gerade dieses Pferd für sich auswählte.
    Sie durchquerten das Tal und begannen erneut mit dem Aufstieg in die Berge. Sulaymans Reiterinstinkt war stärker als seine Krankheit; er passte sich unbewusst, fast automatisch den Gegebenheiten des Geländes an, selbst wenn er die Bodenunebenheiten nicht sah. Khalidah war so damit beschäftigt, ihn im Auge und die

Weitere Kostenlose Bücher