Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Verspätung: «Sorry, ich wurde noch von Präsident Clinton aufgehalten.» Ogi hat längst verinnerlicht, wie man im angelsächsischen Raum mit einer Rede am besten ankommt. Er braucht jetzt unbedingt einen Eingangs-Lacher: «I’ve got nothing to eat, nothing to drink, but I have got to make a speech. I’ll make it short, so I can get something to eat and to drink.» Er habe bei Clinton nichts zu essen und zu trinken bekommen. Jetzt müsse er eine Rede halten, aber er mache es kurz, damit er wenigstens hier etwas zu essen und zu trinken erhalte.
Der Lacher ist ihm sicher.
«Ogi said good-naturedly» , bemerkt tags darauf das US-Magazin «15 Minutes». Gutmütig habe er es gesagt, heisst es auf Englisch. In unserem Sprachraum würde man es, statt «gutmütig», wohl eher als launig bezeichnen.
Dann knöpft er sich den Welt-Staatsmann Gerhard Schröder vor. Der Preisträger hat seinen Platz auf dem Podium schräg hinter Ogi. Dahinten sitze Kanzler Schröder. Der habe ihm einmal versprochen, mit ihm zusammen Tennis zu spielen. Aber Schröder kneife. Zwischenruf Schröders: «Du stiehlst mir die Show.»
Bei Kaffee und Likör wollen alle den Ogi sehen: «You did my day.» Diese amerikanische Redewendung lässt sich nicht eins zu eins übersetzen. «Sie haben uns glücklich gemacht» kommt der Sache wohl am ehesten nahe.
Käse- und Flaggen-Übergabe in Thun an Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder durch die CEOs des Swiss Economic Forums Peter Stähli, Stefan Linder und Dölf Ogi (v.l.). 2006
Doch ein Jahr später geht es nicht mehr anders. Der deutsche Kanzler muss nun unbedingt in die Schweiz kommen.
Die Neckerei besitzt eine Vorgeschichte. Der deutsche Bundeskanzler findet lange den Weg in die Schweiz nicht, beziehungsweise sein Flugzeug. Einmal, im Jahre 1999, wartet Bundespräsident Pascal Couchepin bereits in Basel, um Gerhard Schröder rechtzeitig empfangen zu können. Doch Schröder kommt nicht, weil der Luftwaffen-Jet der deutschen Bundeswehr den Dienst versagt. Das deutsche Nachrichtenmagazin «Focus» bezeichnet die Panne später als «peinliche Absage». Doch ein Jahr später geht es nicht mehr anders. Der deutsche Kanzler muss nun unbedingt in die Schweiz kommen. Zusammen mit Claudia Schiffer, Boris Becker und Franz Beckenbauer wirbt man bei der FIFA um die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2006. Erfolgreich, wie sich später herausstellt.
Gerhard Schröder erinnert sich Jahre später in seinem Hannoveraner Büro: «Zuerst sind wir natürlich zum Schweizer Bundespräsidenten Ogi gegangen, wie es sich gehört, und erst danach zur FIFA. Wir wissen schon, dass der Schweizer Bundespräsident noch wichtiger ist als Sepp Blatter.»
Das Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten findet am 5. Juli 2000 im alten Dolder-Hotel in Zürich statt, unweit des FIFA-Sitzes.
Erstaunlich, wie sich beide Herren deckungsgleich an das sportliche Begrüssungszeremoniell erinnern. Schröder sei im Stechschritt auf ihn zugekommen und habe barsch gefragt: «Spielen Sie Tennis?» Ogi antwortet mit Ja. Doch Schröder entgegnet: «Ich brauche Gegner, keine Opfer.» Dölf ist in solchen Situationen nie um eine Antwort verlegen: «Gut, Herr Bundeskanzler, wir spielen gelegentlich zusammen Tennis. Aber zuerst fahren wir die Lauberhorn-Abfahrt im Renntempo hinunter und dann sehen wir, wer hier das Opfer ist. Verstanden?»
Beide lachen lauthals heraus. Und reden danach auch über ernsthafte Dinge. Das Dauerthema Flughafen steht damals schon auf der Traktandenliste, noch nicht so virulent wie später, aber es geistert schon herum. Gelöst ist das Problem bis heute nicht. Schröder kramt in seinen Erinnerungen: «Wir haben uns gleich verstanden.» Ogi habe ihm das Gefühl vermittelt, dass die Schweizer Seite durchaus einsehe, dass es eine gleichmässige Verteilung des Fluglärms im Grenzbereich der beiden Länder brauche. Nach Ogis Zeit als Verkehrsminister habe man dann einen Staatsvertrag aushandeln können. Das Schweizer Parlament habe diesen ausgewogenen Vertrag leider abgelehnt, bedauert Schröder und fügt hinzu: «Das hat uns sehr verdriesslich gestimmt.»
Alles andere als verdriesslich gestimmt ist Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder gegenüber Dölf Ogi: «Dieser Mann ist ein Mensch, mit dem man, egal wo er politisch steht, gerne zusammen ist.» Es wäre ihm bei ihren gemeinsamen Begegnungen nie eingefallen zu fragen, wo der Ogi eigentlich politisch beheimatet sei. Dieser Mann stehe über aller Parteilichkeit:
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