Wunder wie diese
Chris, dass er sich vorgenommen hat, dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen und mit einer großen Geste seine Aussicht auf Erfolg am nächsten Abend ein wenig auf den richtigen Weg zu bringen. Sein Plan, von dem er mir im Pausenraum erzählt, sieht folgendermaßen aus: Eine Woche lang hat er an einem Gedicht für sie geschrieben, das er ihr heute Abend mit einem Strauß roter Rosen überbringen lassen will, anonym. Damit hätte sie vierundzwanzig Stunden Zeit, um »vorzuglühen« und sich zu fragen, von wem das wohl sein könnte. Zum Sonnenuntergang würde er sie dann zum Privatanleger von Biancas Vater geleiten, wo die Lichter der Hafenbrücke mit denen der Großstadt auf dem Wasser um die Wette glitzerten. Dort würde er ihr dann alles gestehen und zum entscheidenden Schlag ausholen.
»Die einsamen Tage sind vorüber, Kleine.«
»Na super«, sage ich leicht säuerlich.
Er schiebt sogar noch das Gedicht über den Tisch und bittet mich, es zu lesen und ihm meine Meinung dazu zu sagen. Die Welt ist gegen mich,denke ich, während ich es lese. Das ist einfach unglaublich. Ich sitze hier und ziehe mir seine Worte der Sehnsucht, des Begehrens und der Anbetung in seiner komischen Schrift rein, obwohl ich doch ganz genau weiß, dass sie nicht an mich gerichtet sind und es niemals sein werden. Danke liebes Universum. Wirklich, vielen Dank. Bescheuertes Universum.
»Ja, echt super«, sage ich ohne Überzeugung und gebe es ihm zurück.
Am Tag der Party geht auf Arbeit das Getuschel über die geheimnisvollen Rosen und das Gedicht los, das Kathy am Abend zuvor erhalten hat. Nach Feierabend ziehen sich alle um und stapeln sich in die Autos, um zu Bianca rauszufahren. Ich lande bei Kathy im Wagen, zusammen mit Chris, Street-Cred-Donna, Celene und einem Kassierer namens Jeremy. Für mich ist nicht mehr genug Platz, weshalb ich mich hinten querlegen muss, über die Beine der anderen, mein Kopf in Chris’ Schoß.
»Seht euch das mal an, die Kleine wird ja richtig locker«, neckt er mich und zupft spaßeshalber an meinen Haaren.
Ich würde gern etwas erwidern, aber mir fällt nichts ein.
Kathy fährt genauso erwachsen, wie sie sich gibt. Mit bloßen, schlanken Arme bewegt sie anmutig das Lenkrad. Ich bin noch nicht mal alt genug, den Führerschein zu machen. Ich bin wie der verdammte Pip.
Chris grinst wie die Katze, die genau weiß, dass sie gleich eine Schale voll Sahne kriegen wird. Ich starre zum Fenster raus auf die vorbeiflitzenden kopfstehenden Bäume.
Biancas Familiensitz ist in der Tat atemberaubend. Die Sonne steht tief und verbreitet ihr goldenes Licht, als wir uns alle bei Musik und Bier auf der Dachterrasse einfinden. Das Wasser sieht aus, als würde es in Flammen stehen, kein Lufthauch regt sich. Ich kann einfach nicht anders, als dieses Anwesen mit der winzigen maroden Behausung zu vergleichen, in die sich meine ganze Bande quetschen muss.
Andy, Stuart Green, Ed und Lincoln spielen Billard, drinnen am Billardtisch neben der Terrasse. Bianca, Donna, Celene und Kathy sitzen beisammen, uniform mit rot geschminkten Lippen, Sonnenbrillen und Zigaretten in der Hand.
Ich sitze bei den anderen »Kleinen« (Verflucht, jetzt sage ich das auch schon!) ein Stück abseits. Mit von der Partie sind Sveta mit den Killerschenkeln und Jeremy. Ich kippe Weißwein runter und frage mich, wann Chris zum Angriff übergehen wird. Er flitzt von einer Gruppe zur nächsten, genau wie bei der Arbeit, bringt alle zum Lachen, sorgt für gute Stimmung. Gesegnet sei er.
Ich versuche, Kathy nicht zu auffällig anzustarren. Eifersucht blitzt aus meinen Augen, das Blaue funkelt jetzt wahrscheinlich grün gesprenkelt. Wie wird sie wohl auf das, was sich ihr gleich bietet, reagieren? Der Gedanke daran, dass sie tatsächlich zusammenkommen könnten, zerschneidet mein Innerstes wie ein heißes Messer die Butter. Seltsamerweise ist mir der Gedanke, dass sie ihn ablehnen und verletzen könnte, mindestens genauso unerträglich. Ich kenne Chris gut genug, um zu wissen, wie sensibel er sein kann, und ich weiß, dass er es in diesem Fall ziemlich schwer nehmen wird. Aber nachdem ich das Gedicht gelesen habe, glaube ich, er hat gute Aussichten, dass sie in seinen Armen dahinschmelzen wird.
Was kann ich also noch tun? Ich nehme einen ordentlichen Schluck Wein.
Es ist das erste Mal, dass ich etwas mehr mit Stuart Green aus der Lebensmittelabteilung zu tun habe. Stuart Green aus der Lebensmittelabteilung und Vic von der Frischkostabteilung sind die
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