Wunder wie diese
wenn ich wieder zu Hause bin. Mittags dusche ich und ziehe meine Arbeitskluft an. Die Klamotten für die Party packe ich ein. Meine dunkle Jeans, die alten, leicht abgetragenen Blundstone-Stiefel, die mir Mum in der achten Klasse für den Winter gekauft hat, mein graues Longsleeve und das hellblaue T-Shirt zum Drüberziehen. Ich stecke auch eine meiner wenigen Halsketten ein – eine recht große Jadefigur an einer schwarzen Samtschnur. Ich schleiche mich in Mums Zimmer und stecke ihre Flasche Coco ein.
Der stille, authentische Chris der letzten paar Schichten ist heute Abend wie ausgetauscht. Er zeigt sogar fast manische Züge.
»Kleine!«, schreit er, als ich an ihm vorübergehe und ihm kurz zunicke. Er packt die Lebensmittel mit noch mehr Schwung als sonst ein. Als Bianca ihn zum Einkaufswagen einholen schickt, schiebt er die Wagen krachend ineinander und knallt sie in den fahrbaren Süßwarenstand.
»Geht’s dir gut?«, frage ich ihn.
»Gut? Gut? Mir geht’s fantastisch!«, sprudelt es aus ihm heraus.
Na prima.
Wir schließen den Laden um 18 Uhr. Street-Cred-Donna geht gleich raus eine rauchen. So wie sie ihre Arbeitsuniform trägt, lässt sich daraus leicht ein Party-Outfit machen – die Ärmel hochgekrempelt, silberne Anhänger an einem Lederband, in jedem Ohr drei Ohrringe, die blondierten Haare im Pferdeschwanz, mit zu beiden Seiten herunterhängenden Strähnen, schwarzer Mini, Netzstrümpfe und Stiefel, die ihr bis kurz unter die Knie reichen. Ich ziehe mich auf der Damentoilette um und sprühe mir einen Hauch Coco an den Hals. Ich bürste mir die Haare. Neben mir drängen sich Alana und Kelly vor dem Spiegel.
Bianca lehnt an der Wand und überwacht ihre Zöglinge.
»Schöne Kette«, sagt sie und zeigt auf meinen Jadeanhänger.
Ich bin so überrascht, dass es mir für einen Moment die Sprache verschlägt. Alana und Kelly sind still.
»Danke«, bringe ich heraus.
»Ja, sieht super aus«, pflichtet Alana ihr rasch bei.
»Richtig nach was Besonderem«, stimmt Kelly ein.
Ich nicke und bürste mir energisch die Haare.
Bianca kommt rüber und streckt die Hand nach dem Anhänger aus, der genau unter meiner Kehle sitzt.
»Er sieht alt aus«, stellt sie fest. »Wo hast du den denn her?«
Sie steht so nah bei mir, dass sie mich fast berührt.
»Wir haben ihn bei den Sachen meiner Großmutter gefunden, nachdem sie gestorben ist. Sie ist viel durch Asien gereist. Ich weiß nicht genau, wo sie den herhat.«
»Hmm.« Sie sieht mir in die Augen. »Wunderschön.«
Ich habe mich noch nie so lang am Stück mit Bianca unterhalten. Sie hat mir noch nie ein Kompliment gemacht. Es fühlt sich gut an – zu gut. Dann ist es vorüber.
»Also, wir sehen uns dann dort«, sagt sie. »Alana, Kelly?«
Sie zieht davon, die anderen beiden im Schlepptau.
Die meisten, die direkt von der Arbeit kommen, passen in Biancas und Kathys Autos. Aber Chris entscheidet, dass Ed, er und ich mit dem Bus fahren.
»Aber dann kommen wir doch alle vor Ed an«, bemerkt Kathy.
Chris wendet sich an Ed. »Gib ihr deinen Schlüssel.«
Ed kramt in seiner Hosentasche und zieht ein Schlüsselbund an einem Flaschenöffner hervor.
»Keith Street 18«, sagt er zu Kathy. Wir strömen aus dem Mitarbeiterausgang. Ed, Chris und ich gehen zur Bushaltestelle beim Getränkemarkt. Chris sieht auf den Fahrplan und verschwindet dann mit Ed im Laden. Fünf Minuten später kommt Ed mit einem Kasten Bier auf der Schulter heraus. Chris schleppt etliche braune Papiertüten.
»Bereit für die Party, Kleine?«
Ed betrachtet mich mit glasigen Augen und etwas, das Sympathie sein könnte. Ich krame in meiner Tasche nach Geld für den Bus.
Eds Familie wohnt in einem kleinen Haus in einer ruhigen Straße – der krasse Gegensatz zu dem Hafenpanorama bei Bianca. Wahrscheinlich trägt das auch dazu bei, dass sich alle auf der Party von Anfang an ordentlich benehmen. Weil das Haus so klein ist, halten wir uns nur im Wohnzimmer und in der angrenzenden Küche auf.
Sämtliche Anzeichen für Biancas Freundlichkeit von vorhin sind verschwunden und sie hält sich an Alana, Kelly, Street-Cred-Donna und Jeremy. Wenig später sitzt sie bei Jeremy auf dem Schoß. Jeremy schaut dabei ziemlich selbstgefällig. Ich glaube, Bianca und Andy sind nicht mehr zusammen – er ist nicht auf der Party. Kathy scheint die ganze Zeit um Chris herumzutänzeln.
Es gibt jede Menge zu trinken und kaum etwas zu essen. Ich knabbere ein paar Chips und trinke ein Bier. Ich unterhalte mich
Weitere Kostenlose Bücher