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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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Und dann muss das Gefolge sein höhnisches Gelächter wieder einstellen oder zumindest dämpfen. Es geht auf 21 Uhr zu, Zeit für den Kassensturz.
    Normalerweise gehe ich jetzt mit Chris nach hinten zum Büro die Geldschublade abgeben. Noch bevor ich fertig bin mit Zählen, sehe ich, wie Chris seine Lade herausreißt und damit nach hinten verschwindet. Unter den Blicken der Zöglinge eile ich ihm so schnell wie möglich hinterher, nur um ihn aus dem Belegschaftsausgang stürmen zu sehen. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Ed überholt mich mit seiner Kassenlade.
    »Ed!« Den verzweifelten Ton in meiner Stimme muss selbst ein Kiffer wie Ed wahrnehmen, der sich jetzt wahrscheinlich wünscht, woanders zu sein.
    »Ja?«
    »Chris… Redet er nicht mehr mit mir?«
    »Ich weiß von nichts, Amelia. Tut mir leid.«
    Er geht weiter. Ich setze matt einen Fuß vor den anderen und gebe die Kassenlade ab. Ich hole meinen Rucksack aus dem Spind und bewege mich auf den Hinterausgang zu. Draußen an der Wand lehnen Bianca, Donna, Jeremy und Alana und rauchen.
    Bianca wirft mir einen zufriedenen Blick zu; zufrieden, dass man mir endlich gezeigt hat, wo mein Platz ist; zufrieden, dass ich fortan wohl nicht mehr so hochnäsig sein und dass ich mir bloß nicht mehr einbilden werde, ich sei klüger als sie und könnte auf Chris’ Welle mitreiten. Hätte sich im Gegenteil herausgestellt, dass ich nun Chris’ Freundin bin, hätte sie mir jetzt ganz sicher Honig ums Maul geschmiert.
    Die anderen würdigen mich keines Blicks, aber ich sehe sie hinter dem Qualm grinsen. Sie verabschieden sich nicht von mir und ich mich auch nicht von ihnen.
    Auf dem Nachhauseweg komme ich am Pub vorbei, wo Chris allein bei einem Bier sitzt und auf die anderen wartet. Ich bleibe stehen und quäle mich selbst, indem ich ihn ausgiebig anstarre. Dann gehe ich nach Hause. Heute Abend machen mir die dunklen Straßen Angst. Der Wind weht heulend über die Leitungen der Strommasten und die Ladenschilder klappern in ihrer Aufhängung. Nachdem ich die Hauptstraßen hinter mir gelassen habe, gehe ich mitten auf der Straße, um dem zu entkommen, was in den Schatten lauern mag.
    Nichts wie weg hier
    Seit Eds Party sind auf den Tag genau zwei Wochen vergangen. Die Arbeit stinkt mir. Damit die ganze Land-der-Träume-Geschichte auch irgendeinen Sinn ergibt, haue ich sämtliche Ersparnisse für zwei neue Jeans, ein paar neue T-Shirts und ein paar neue blaue Chucks auf den Kopf. Eines der T-Shirts ist cremefarben und an den Rändern braun eingefasst. Vorne drauf steht kleingedruckt: Kann mir vielleicht irgendwer helfen, bitte?
    Chris behandelt mich weiterhin wie Luft. Na ja, vielleicht nicht wie Luft, aber er meidet geschickt jegliche Situation, bei der er mich womöglich ansehen oder mit mir reden müsste. Wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt, nickt er mir allenfalls kurz zu.
    Er fehlt mir so abartig doll. Mich überfällt ganz oft die Erinnerung an kühle Badezimmerfliesen und Tequila mit Limettensirup.
    Street-Cred-Donna, deren neues Hobby es ist, die lilafarbenen Schnürsenkel ihrer Stahlkappenstiefel auf- und zuzuschnüren, rückt ihm in letzter Zeit immer mehr auf die Pelle. Sie gehen alle zusammen nach der Arbeit in den Pub. Ich bleibe so lang im Umkleideraum, bis sie weg sind, damit ich mich nicht an ihnen vorbeiquetschen muss, wenn sie vorm Hintereingang rumhängen. Seht euch die Verschmähte an! Die öffentlich Fallengelassene. Die Verkörperung enttäuschter Hoffnung. Die Ungeladene.
    »Ich frag mich, ob er manchmal noch daran denkt«, sage ich zu Penny.
    »Es ist doch völlig gleichgültig, was er denkt«, erwidert sie nicht unfreundlich.
    Wir lernen für unsere Abschlussprüfungen in ein paar Wochen. Ich bin froh, dass ich mich auf etwas anderes konzentrieren kann. Pennys Dad ist inzwischen ausgezogen. Ihre Mutter dreht ständig durch. Ihr Bruder Jamie hat sich in sein Zimmer eingeschlossen und verpasst sehr oft den Unterricht.
    »Wo wohnt dein Dad denn jetzt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du weißt es nicht?«
    »Das weiß keiner von uns. Er sagt, er ›wohnt bei jemandem von der Arbeit‹, aber er sagt nicht, wo. Vielleicht will er nicht, dass ich es weiß, damit es Mum nicht herauskriegt.«
    Ich bin völlig ratlos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater so etwas tun würde. Mich anschreien? Ja. Das Geschirr nicht spülen? Ja. Die Familie im Stich lassen? Nein.
    »Er wollte Jamie und mich am Sonntag zum Essen einladen, aber wir haben noch nichts von

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