Wunder wie diese
weiter anhalten. Ich muss mir ernsthaft über meine Möglichkeiten Gedanken machen.
Dann gibt es noch Amelia, die ich lieber mag als alle anderen. Zeit, das mal hier festzuhalten. Aber sie ist noch so jung. In ein paar Monaten werde ich zweiundzwanzig. Ich hoffe, nach der Uni in eine mutige neue Lebensphase einzutreten, und das erscheint mir, mit einer Fünfzehnjährigen im Schlepptau, recht aussichtslos. Wenn sie nur ein paar Jahre älter wäre. Ist sie aber nicht.
Bianca hat für Samstagabend ein paar Auserwählte zu sich eingeladen – ihre Eltern sind mal wieder in Übersee. Es wird jede Menge Alkohol fließen, spendiert von Biancas Eltern, und wahrscheinlich auch ein weißes Pulver, das indirekt ebenfalls Biancas Eltern spendieren. Ich muss zugeben, dass mir die Aussicht auf eine Line Speed von ihrem 7000-Dollar-Granittisch im Wohnzimmer sehr zusagt, zumal man von da aus über den Hafen hinweg auf die blinkenden Lichter der Skyline blicken kann.
6. Juni
Dad nimmt Zoes Auszug, zumindest nach außen hin, gelassen. Ich glaube aber, dass er in seinem tiefsten Innern ganz schön besorgt und traurig darüber ist, seine nicht mehr ganz so kleine Prinzessin zu verlieren. Schon seltsam, dieses moderne Leben, wo die Kids so lange zu Hause wohnen. Als Dad vierundzwanzig war, hatte er schon ein Haus gekauft, meine Mutter kennengelernt und sie geschwängert. Zoe ist genauso alt wie er damals, aber das lässt sich überhaupt nicht miteinander vergleichen. Ich frage mich ernsthaft, wie viel davon auf die Veränderungen bei den Lebenshaltungs- und Wohnkosten und auf die Studienkredite zurückzuführen ist. Für die meisten Studenten gibt es während des Studiums gar keine Alternative zum Zu-Hause-Wohnen.
Mum packt ein paar Kisten mit Besteck, Geschirr und Wäsche für Zoe zusammen. Sie hat ihr außerdem einen Toaster und einen Wasserkocher gekauft, die beide in ihren Kartons im Flur vor sich hinfunkeln. Ich habe ein paar leere, saubere Kisten für den Transport aus dem Lager von der Arbeit abgestaubt.
»Ist dir eigentlich bewusst«, sagte ich vor ein paar Tagen noch zu Zoe, bei einem der letzten Versuche, sie zum Bleiben zu bewegen, »dass es in deiner neuen Wohnung kein kaltes Bier im Kühlschrank geben wird, es sei denn, du kaufst es selbst und legst es rein?«
»Genau«, entgegnete sie lächelnd. »Mein Bier in meinem Kühlschrank.«
Es ist an der Zeit – so viel ist klar.
10. Juni
Sonntagmittag. Der erste richtig kalte Tag des Jahres. Ich bin noch nicht ganz wach, aber anscheinend haben Mum und Dad die Heizgeräte hervorgekramt. Der Geruch von verbranntem Staub dringt unter der Tür durch. Ich hasse es aufzustehen, weil es a) kalt ist, b) ein Sonntagmorgen (na ja, inzwischen Nachmittag) allein mit Mum und Dad, was meinen Einzelkindstatus noch verschärft, und c) ich empfindlich verkatert bin und mich dazu noch schäme – die Nachwehen von Biancas Party gestern.
Zoe ist am Freitag ausgezogen. Sie kommt heute zum Abendessen und bringt Dads Auto zurück. Ich fahr sie damit wieder nach Hause. Am Freitag habe ich ihr geholfen, einige Wagenladungen voll nach Leichhardt zu schaffen; um sieben Uhr abends waren wir mit der letzten Fuhre fertig.
Mum und Dad kamen raus, um sich zu verabschieden. Mum hat Zoe eine Tupperbox mit ihrem Lieblingsessen in die Hand gedrückt – Fischcurry – und noch eine mit Reis.
»Als Abendessen«, sagte Mum. »Und…« Sie gab Zoe ein Plastiksieb. »Das brauch ich nicht, nimm du es.«
»Danke Mum«, sagte Zoe und verstaute alles sorgsam unter dem Stapel Kissen auf dem Beifahrersitz.
»Und hier«, sagte Dad, »Ich dachte mir, du hättest vielleicht gern etwas davon…« Er reichte ihr eine Flasche Elliot Rocke Shiraz, Zoes absoluter, aber sehr selten getrunkener Lieblings-Winterwein.
»Oh danke, Dad. Lecker!« Sie studierte lächelnd das Etikett. »Den habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getrunken. Ein Hochgenuss! Den werden Silv und ich heute Abend noch köpfen.«
Darauf folgte bedrücktes Schweigen.
»Ich fahr jetzt besser mal los«, sagte Zoe. »Ich seh euch Sonntagabend.«
Wir umarmten uns kurz.
»Pass auf dich auf, Ripley«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Dann umarmte sie Dad und zum Schluss Mum. Sie hatten beide Tränen in den Augen.
»Also gut«, murmelte sie und fummelte an den Autoschlüsseln herum. »Tschüss dann.«
Sie stieg in den alten weißen Commodore, ließ den Motor an und schaltete das Licht ein.
Als sie losfuhr, winkten wir zum Abschied.
Später – 17
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