Wunder
ich.
Mom stellte keine weiteren Fragen und sagte, sie wäre in zehn Minuten da.
»Klingel nicht«, sagte ich zu ihr. »Ruf einfach an, wenn du draußen bist.«
Ich blieb im Badezimmer, bis Mom anrief, und dann schlich ich mich nach oben, ohne dass mich jemand sah, nahm meine Jacke und ging.
Es war erst halb zehn. Die Halloween-Parade unten auf der Amesfort Avenue war im vollen Gang. Gigantische Menschenmengen überall. Alle waren kostümiert. Skelette. Piraten. Prinzessinnen. Vampire. Superhelden.
Aber kein einziges Einhorn.
November
Am nächsten Tag sagte ich Savanna in der Schule, ich hätte irgendwelche total verdorbenen Halloween-Süßigkeiten gegessen und mir sei schlecht geworden, deshalb sei ich so früh von ihrer Party verschwunden. Sie glaubte mir. Es ging tatsächlich ein Magenvirus um, und somit war es eine gute Lüge.
Ich sagte ihr auch, dass ich in jemand anderen als Julian verknallt sei, damit sie mich damit in Ruhe ließ und hoffentlich Julian die Nachricht überbrachte, dass ich kein Interesse hatte. Sie wollte natürlich wissen, in wen ich mich verknallt hätte, aber ich sagte ihr, es sei ein Geheimnis.
August fehlte am Tag nach Halloween, und als er zurückkam, merkte ich, dass irgendwas mit ihm los war. Er führte sich in der Mittagspause echt komisch auf.
Er sprach kaum ein Wort und starrte immer auf seinen Teller, wenn ich mit ihm redete. Als wolle er mir nicht in die Augen schauen.
Schließlich sagte ich: »Auggie, ist alles okay? Bist du sauer auf mich oder irgendwas?«
»Nein«, sagte er.
»Tut mir leid, dass es dir an Halloween nicht gut ging. Ich hab auf den Fluren immer nach Boba Fett gesucht.«
»Ja, ich war krank.«
»Hattest du diesen Magenvirus?«
»Ja, nehm ich an.«
Er schlug ein Buch auf und begann zu lesen, was ziemlich unhöflich war.
»Ich freue mich total auf unsere Ägypten-Ausstellung«, sagte ich. »Du auch?«
Er schüttelte den Kopf, und sein Mund war voller Essen. Ich schaute nicht hin, denn es sah nicht nur aus, als würde er absichtlich auf besonders ekelhafte Weise kauen und seine Augen kaum öffnen, ich bekam auch wirklich schlechte Schwingungen von ihm.
»Welches Projekt hast du bekommen?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern, zog einen kleinen Schnipsel Papier aus seiner Jeanstasche und schnippte ihn mir über den Tisch hinweg zu.
Jeder Schüler im Jahrgang hatte eine Gestalt oder ein Denkmal aus dem Alten Ägypten zugewiesen bekommen, das wir nachbauen sollten. Im Dezember würden dann alle Ausstellungsstücke wie in einem ägyptischen Museum präsentiert werden. Die Lehrer schrieben die Aufgaben auf winzige Zettelchen, die sie in ein leeres Aquarium steckten, und dann zogen alle Schüler aus dem fünften Jahrgang nacheinander ihr persönliches Projekt heraus.
Also faltete ich Augusts kleinen Zettel auseinander.
»Oh, cool!«, sagte ich vielleicht etwas übertrieben begeistert, weil ich ihn aufbauen wollte. »Du hast die Stufenpyramide von Sakkara bekommen!«
»Ich weiß«, sagte er.
»Ich habe Anubis, den Gott der Totenriten.«
»Ist das der mit dem Hundekopf?«
»Eigentlich ist es ein Schakalskopf«, sagte ich. »Hey, hast du Lust, dass wir nach der Schule zusammen anfangen, an dem Projekt zu arbeiten? Du könntest mit zu mir nach Hause kommen.«
Er legte sein Sandwich ab und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Den Blick, den er mir zuwarf, kann ich überhaupt nicht beschreiben.
»Weißt du, Summer«, sagte er. »Du musst das nicht tun.«
»Wovon redest du?«
»Du musst nicht mit mir befreundet sein. Ich weiß, dass Mr. Pomann mit dir geredet hat.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Du musst nichts vorspielen, mehr sag ich nicht. Ich weiß, dass Mr. Pomann mit einigen Schülern gesprochen hat, bevor das Schuljahr angefangen hat, und ihnen gesagt hat, dass sie sich mit mir anfreunden sollen.«
»Er hat nicht mit mir gesprochen, August.«
»Doch, hat er.«
»Nein, hat er nicht.«
»Doch, hat er.«
»Nein, hat er nicht!!! Ich schwör’s bei meinem Leben!« Ich hob meine Finger, damit er sah, dass ich sie nicht überkreuzte. Er schaute sofort auf meine Füße hinunter, also streifte ich meine Schuhe ab, damit er sehen konnte, dass auch meine Zehen nicht überkreuzt waren.
»Du trägst Strumpfhosen«, sagte er anklagend.
»Du siehst, dass meine Zehen flach sind!«, rief ich aus.
»Okay, du musst nicht schreien.«
»Ich hab’s nicht gern, wenn man mich beschuldigt, okay?«
»Okay, tut mir leid.«
»Das
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