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Wunder

Wunder

Titel: Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Palacio
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olivia, dass sie mir glück bringt. leider bekommt sie nicht die weibliche hauptrolle, emily gibbs. das mädchen mit den pinkfarbenen haaren, das miranda heißt, kriegt sie. olivia bekommt eine kleinere rolle ab, und sie ist die zweitbesetzung für die emily. ich bin sogar noch enttäuschter darüber als olivia. sie scheint beinahe erleichtert zu sein. ich hab es gar nicht gern, wenn die leute mich anstarren, sagt sie, was irgendwie komisch ist, wenn es von einem so hübschen mädchen kommt. manchmal denke ich, sie hat ihr vorsprechen absichtlich verkorkst.
    die aufführung ist ende april. jetzt haben wir mitte märz, das heißt, mir bleiben weniger als sechs wochen, um meinen text auswendig zu lernen. dazu die probenzeit. dazu das üben mit meiner band. dazu die abschlussklausuren. dazu die zeit mit olivia. das werden harte sechs wochen, das steht fest. mr. davenport, der theater-lehrer, ist wegen der ganzen sache schon das reinste nervenbündel. der wird uns in den wahnsinn getrieben haben, wenn das vorbei ist, kein zweifel. ich habe was läuten gehört, dass er eigentlich vorgehabt hatte, den elefantenmenschen aufzuführen, sich aber in letzter Minute doch noch für unsere kleine stadt entschieden hat, und dass diese umstellung uns eine probenwoche gekostet hat.
    auf das chaos der nächsten anderthalb monate freu ich mich gar nicht.

Der Marienkäfer
     
    olivia und ich sitzen vor ihrem haus auf den eingangsstufen. sie hilft mir mit meinem text. es ist ein warmer märzabend, fast wie sommer. der himmel hat immer noch ein helles cyanblau, aber die sonne steht tief, und die bürgersteige sind von langen schatten überzogen.
    ich sage meinen text auf: die sonne ist mehr als tausend mal aufgegangen. sommer und winter haben die berge noch ein wenig mehr zerklüftet, und die regenfälle haben etwas von dem schmutz heruntergeholt. ein paar kleine kinder, die damals noch nicht geboren waren, können jetzt sogar schon richtige sätze sprechen; und einige leute, die sich für besonders jung und beweglich hielten, können nicht mehr so wie früher die treppen hinauflaufen, ohne sofort herzklopfen zu bekommen …
    ich schüttele den kopf. der rest fällt mir nicht ein.
    das alles kann in tausend tagen geschehen, souffliert olivia aus dem text.
    stimmt, stimmt, stimmt, sage ich und schüttele den kopf. ich seufze. ich bin fix und fertig, olivia. wie zum henker soll ich mir diesen ganzen text merken?
    wirst du, antwortet sie zuversichtlich. sie streckt die hände aus und beschirmt damit einen marienkäfer, der aus dem nichts aufgetaucht ist. siehst du? das heißt, wir haben glück, sagt sie und hebt langsam die obere hand, um mir zu zeigen, wie der marienkäfer über die innenfläche ihrer anderen hand spaziert.
    oder es heißt, wir haben einfach frühling, scherze ich.
    glück natürlich, erwidert sie und beobachtet, wie der marienkäfer über ihr handgelenk krabbelt. das wäre doch schön, wenn man sich etwas wünschen könnte, wenn man einen marienkäfer sieht. auggie und ich haben das immer mit glühwürmchen gemacht, als wir noch klein waren. sie legt wieder ihre hand über den marienkäfer. na los, sagt sie. wünsch dir was. mach die augen zu.
    gehorsam schließe ich die augen. eine lange sekunde verstreicht, dann mache ich sie wieder auf.
    hast du dir was gewünscht?, fragt sie.
    yep.
    sie lächelt, hebt ihre hand, und wie aufs stichwort breitet der marienkäfer seine flügel aus und schwirrt davon.
    möchtest du nicht wissen, was ich mir gewünscht habe?, frage ich und gebe ihr einen kuss.
    nein, antwortet sie scheu und schaut zum himmel hinauf, der in diesem moment genau dieselbe farbe hat wie ihre augen.
    ich habe mir auch etwas gewünscht, sagt sie geheimnisvoll, aber es gibt so vieles, was sie sich wünschen könnte, dass ich keine ahnung habe, woran sie wohl gedacht hat.

An der Bushaltestelle
     
    olivias mom, auggie, jack und daisy kommen die eingangsstufen genau in dem moment herunter, als ich mich von olivia verabschiede. ein bisschen peinlich, weil wir uns gerade einen schönen langen kuss geben.
    hey, leute, sagt ihre mom und tut so, als hätte sie nichts gesehen, aber die jungs kichern.
    hi, mrs. pullman.
    nenn mich bitte isabel, justin, sagt sie wieder. das ist bestimmt das dritte mal, dass sie mir das sagt, also muss ich wohl wirklich damit anfangen, sie so zu nennen.
    ich will grad nach hause, sage ich, als müsste ich etwas erklären.
    oh, gehst du richtung u-bahn?, fragt sie und läuft mit

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