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Wunder

Wunder

Titel: Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Palacio
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Etwas längere Haare. Kleine, runde Brille. Er hatte einen großen, länglichen, glänzend silbernen Kasten bei sich, der vorne spitz zulief.
    »Justin, das ist mein kleiner Bruder August«, sagte Via. »Und das ist Jack.«
    »Hi, Leute«, sagte Justin und schüttelte uns die Hand. Er schien ein bisschen nervös zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es daran lag, dass er zum ersten Mal auf August traf. Manchmal vergesse ich, was es für ein Schock ist, wenn man ihn zum ersten Mal sieht. »Cooles Zimmer.«
    »Gehst du mit Via?«, fragte Auggie gehässig, und seine Schwester zog ihm seine Kappe übers Gesicht.
    »Was ist in deinem Kasten?«, fragte ich. »Ein Maschinengewehr?«
    »Ha!«, antwortete Vias Freund. »Das ist witzig. Nein, es ist … äh … em … eine Geige.«
    »Justin ist Geiger«, sagte Via. »Er ist in einer Zydeco-Band.«
    »Was zum Geier ist denn eine Zydeco-Band?«, fragte Auggie und schaute mich an.
    »Es ist ein Musikstil«, sagte Justin. »Wie kreolische Musik.«
    »Was ist kreolisch?«, fragte ich.
    »Du solltest den Leuten erzählen, dass es ein Maschinengewehr ist«, sagte Auggie. »Dann würde sich nie einer mit dir anlegen.«
    »Ha, da hast du wahrscheinlich recht«, sagte Justin, nickte und schob sich das Haar hinter die Ohren. »Kreolische Musik wird in Louisiana gespielt«, sagte er zu mir.
    »Bist du aus Louisiana?«, fragte ich.
    »Nein … ähm«, antwortete er und schob sich seine Brille hoch. »Ich bin aus Brooklyn.«
    Ich weiß nicht, wieso, aber am liebsten hätte ich losgelacht.
    »Komm schon, Justin«, sagte Via und zog ihn an der Hand. »Wir gehen in mein Zimmer.«
    »Okay, bis später, Leute«, sagte er.
    »Ciao!«
    »Ciao!«
    Sobald sie aus dem Zimmer waren, schaute Auggie mich an und grinste.
    »Ich bin aus Brooklyn«, sagte ich, und im nächsten Moment konnten wir uns schon nicht mehr halten vor Lachen.

 
     
     
     
    5
     
    Justin
     
     
    Manchmal glaube ich, dass mein Kopf so groß ist,
    weil so viele Träume in ihm stecken.
     
    John Merrick in Bernard Pomerances »Der Elefantenmensch«

Olivias Bruder
     
    als ich olivias kleinen bruder zum ersten mal treffe, haut mich, das muss ich zugeben, die überraschung total um.
    das sollte natürlich nicht so sein. olivia hat mir von seinem »syndrom« erzählt, hat mir sogar beschrieben, wie er aussieht. aber sie hat auch von den ganzen operationen erzählt, die er im lauf der jahre gehabt hat, also habe ich wohl angenommen, dass er inzwischen normaler aussieht. wenn ein kind zum beispiel mit einer hasenscharte zur welt kommt und das dann operativ in ordnung gebracht wird, kann man manchmal außer einer kleinen narbe über der lippe gar nichts mehr davon erkennen. ich dachte wohl, ihr bruder hätte eben hier und da ein paar narben. aber nicht das. ich hatte definitiv nicht erwartet, diesen kleinen jungen mit der baseball-kappe zu sehen, der mir jetzt gegenübersitzt.
    genau genommen sitzen zwei kids vor mir: der eine ist ein total normal aussehender junge mit blonden locken, der jack heißt; der andere ist auggie.
    ich will nur hoffen, dass ich meine überraschung verbergen kann. ich hoffe es echt. überraschung gehört aber zu den gefühlen, die schwer vorzutäuschen sind, egal ob man versucht, überrascht auszusehen, obwohl man’s nicht ist, oder ob man versucht, nicht überrascht auszusehen, wenn man’s ist.
    ich schüttele seine hand. ich schüttele die hand von dem anderen jungen. Ich will mich nicht auf sein gesicht konzentrieren. cooles zimmer, sage ich.
    gehst du mit via?, fragt er. ich glaube, er grinst.
    olivia zieht ihm die baseballkappe runter.
    ist das ein maschinengewehr?, fragt der blonde junge. ganz neuer gag. und wir reden eine weile über zydeco. und dann nimmt via meine hand und führt mich aus dem zimmer. sobald wir die tür hinter uns geschlossen haben, hören wir sie lachen.
    ich bin aus brooklyn, kräht einer von ihnen.
    olivia verdreht die augen und lächelt dabei. komm, wir hängen in meinem zimmer ab, sagt sie.
    wir sind jetzt seit zwei monaten zusammen. ich wusste von dem moment an, als ich sie zum ersten mal gesehen habe, in dem augenblick, als sie sich an unseren tisch in der cafeteria setzte, dass ich sie mochte. ich konnte meinen blick nicht von ihr abwenden. sie ist wirklich wunderschön. olivfarbene haut hat sie, und die blauesten augen, die ich in meinem ganzen leben gesehen habe. zuerst tat sie so, als wolle sie nur mit mir befreundet sein. ich glaube, das strahlt sie aus, ohne es

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