Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
wirklich so schön, wie immer gesagt wird?« fragte jetzt ein
zierliches kleines Mädchen, das ganz in himmelblaue Seide und Spitzen gekleidet
war.
»O Hoheit!« erwiderte mit Stolz die
Hofdame, die den Kindern der königlichen Gäste zur Begleitung beigegeben war.
»Ich kenne Paris, die Stadt Eurer königlichen Hoheit, nicht, aber man sagt, daß
Dresden unter meinem erlauchten Herrn, August dem Starken, dem König von Polen
und Kurfürsten von Sachsen, zum deutschen Florenz geworden sei! — Eure
königlichen Hoheiten werden bald selbst die Schätze sehen, die Bildergalerie —
die Kunstsammlungen im Grünen Gewölbe des Schlosses —, die Lusthäuser und
Gärten, die Schloßanlage, die Zwinger heißt, und das Opernhaus, den Japanischen
Pavillon mit dem berühmten japanischen und chinesischen Porzellan, die kostbare
Waffensammlung aus allen Ländern Europas, die königliche Bibliothek mit ihren
fünfundzwanzigtausend Bänden und dann die Menagerie mit den wilden Tieren!« Die
Hofdame war ganz außer Atem geraten vor Eifer.
»Ja, die indianischen Katzen und
Stachelschweine, die Affen und Strauße!« lachte die kleine Prinzessin neben
Dott. »Mein Bruder, der Fritz, hat mir davon erzählt. — Aber ist es wahr, daß
Seine Majestät den armen Böttger noch immer auf der Albrechtsburg in Meißen
gefangenhält, damit er nur für Sachsen sein kostbares Porzellan herstellen
kann?« fuhr sie mit einem schelmischen Lächeln fort.
»Der Böttger ist Gast seiner
königlichen Hoheit!« erwiderte die Hofdame mit Zurückhaltung. Sie wußte wohl,
wie sehr der König von Preußen den Böttger nach Berlin wünschte, da mußte man
vor der kleinen brandenburgischen Prinzessin auf der Hut sein!
»Aber ist es wahr, daß Seine königliche
Hoheit der Starke genannt wird, weil er als Kind mit Löwenmilch
gefüttert wurde?« fragte das Prinzeßchen weiter, und seine Augen blitzten vor
Übermut. »Ist er wirklich auf seiner Hochzeitsreise mit sechs Pferden in einen
Rathauskeller hineingefahren, um dort die Lichter mit der Pistole
auszuschießen? Und kann er wirklich Hufeisen mit den Händen zerbrechen und
Silberteller mit einer Hand zusammenrollen?«
»Wahr ist, daß mein erlauchter Herr
August der Starke genannt wird, weil er der größte und stärkste Mann seiner
Zeit ist«, erwiderte Mamsell Schönbrunn mit Würde.
»Wer bist du eigentlich?« fragte nun
die kleine Dott das Mädchen an ihrer Seite. Diese kleine Prinzessin gefiel ihr
ungemein, und sie wollte gern Freundschaft mit ihr schließen.
»Ich bin Frederike Wilhelmine von
Preußen«, erwiderte die Prinzessin. »Meinen Vater, den König Friedrich Wilhelm
I. von Preußen, nennt man den Soldatenkönig; aber mein Bruder Friedrich und
ich, wir wünschten beide, daß unser königlicher Vater weniger seine Soldaten
und mehr die schönen Künste liebte, so wie August der Starke von Sachsen dies
tut!«
»So ist die kleine Prinzessin, die an
meiner Seite sitzt, also die Lieblingsschwester von Friedrich dem Großen!«
dachte Dott.
Der königliche Wagenzug rasselte jetzt
über die Brücke in die Stadt hinein und fuhr dann donnernd über das Pflaster.
Denn die Straßen hinter dem Tor waren jetzt richtig gepflastert, sie waren breit
und sauber, das konnte die kleine Dott im Fackelschein erkennen. Die düsteren
Häuser, der Gestank, die Pestkarren und die Trunkenen waren verschwunden,
schöne neue Häuser standen zu beiden Seiten. Prunkhafte Gebäude und Türme sah
sie vorübergleiten, und dann fuhren sie in einem Bogen in einen Hof hinein. Die
Wagentür wurde aufgerissen, ein mit Atlaspolster bezogenes Treppchen wurde
herabgelassen, und die Kinder sprangen aus der Karosse.
»O!« sagte die kleine Dott und schaute
mit großen Augen umher.
Sie befanden sich in einem prächtigen
Hof. Die Pavillons und die langen Galerien, die ihn umgaben, hatten aber so
viele Fenster, daß fast gar nichts mehr von den Mauern zu sehen war. Doch wo es
noch Wände gab, waren sie geschmückt mit Blumengirlanden und mit Gestalten, die
mit Efeu und Wein bekränzt, auf Rohrpfeifen spielten. Bis auf die Dächer hinauf
kletterten lustige Kinder aus Stein, die übermütig in Muschelhörner stießen. Im
Hof aber schossen Wasserspiele in die Höhe und fielen sprühend in ihre
Marmorbecken zurück. Alles war von blauem und rotem Licht überflutet, und auf
den Wegen wandelten Männer in riesigen Lockenperücken und seidenen Anzügen und
Frauen in schillernden schweren Atlaskleidern.
»Jetzt weiß ich, warum der
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