Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Kurfürst von
Sachsen August der Starke genannt wird!« flüsterte die kleine Dott der
Prinzessin Frederike Wilhelmine ins Ohr. »Wenn er hier anstelle der elenden
Straßen etwas so herrliches bauen konnte wie diese neue Stadt, da muß er ein
großer und guter König sein!«
»Es ist wohl nicht leicht, ein großer
und guter König zu sein!« erwiderte die Prinzessin ernst, und ihre Mundwinkel
senkten sich, als müßte sie an etwas Bitteres denken. »Der König von Preußen, mein
Vater, gönnt sich und dem Hof weder Kunst noch Freude, weil er meint, nach dem
Dreißigjährigen Kriege habe das Volk zu arbeiten und keiner dürfe Feste feiern.
Dagegen läßt der Kurfürst von Sachsen sein Volk schuften und hohe Steuern
zahlen und verkauft seine Untertanen in ganzen Regimentern ins Ausland.«
Da schwieg die kleine Dott. Mit
zusammengezogenen Brauen folgte sie der Prinzessin in den Festsaal. Durch die
Fenster konnte sie in den Hof hinausschauen, wo auf den Rasenflächen, von
Kerzen beleuchtet, die Tänzer zu den Klängen einer lieblichen Musik ein Ballett
aufführten.
Wie viele sächsische Soldaten wohl der
König verkaufen mußte, um diese Feste feiern zu können? fragte sie sich.
»Wo bin ich denn überhaupt wieder
hineingeraten?« Verwirrt schaute sie umher.
Da stand nicht mehr die Prinzessin
neben ihr, sondern ein Narr in buntem Narrenkleid.
»In den Zwinger von Dresden bist du
hineingeraten«, sagte er. »Du stehst in dem berühmten Freilichttheater Augusts
des Starken, der Dresden zu einer der glanzvollsten Städte Europas gemacht hat.
Nun weißt du, wo du bist, kleine Dott. Du hattest dir doch so gewünscht, in
dieses Dresden hineinzugelangen!«
Die Kleine blickte verdutzt auf den
Narren. Wie konnte er denn wissen, was sie sich gewünscht hatte? Je länger sie
ihn aber anschaute, um so vertrauter erschien er ihr. Mattheo Foccio war der
Narr, das Brückenmännchen von Dresden, den sie auf ihrer Flucht vor der Pest
verloren hatte!
»Ach, Matz Votze!« klagte sie da, »ich
wollte doch nur das schöne Dresden sehen, das so lustig vom anderen Ufer
herübergeleuchtet hatte!«
Während sie aber sprach, begannen die
Kerzen trüber zu brennen, das Wasser der Fontänen breitete sich aus. So weit
die Kleine schauen konnte, sah sie nur noch Wasser... und da saß sie wieder auf
dem Brückenpfeiler über dem Strom, in dem sich in der Morgendämmerung die
Laternen des Ufers spiegelten. Neben ihr aber standen die Elstern, die sich den
Schlaf aus den Federn schüttelten.
Der
Jahrmarkt der Welt
Seit sie die schöne Stadt Dresden und
die bewaldeten Höhen an der Elbe hinter sich zurückgelassen hatten, war die
kleine Dott wieder ganz mit ihrer Entführung durch die Elstern beschäftigt.
Mißmutig schaute sie auf die Landschaft hinunter, auf die Felder und Seen und
Heiden und Kiefernwälder und die vielen Windmühlen. Sie hatte für nichts
anderes mehr Sinn als für die Frage, wann Pica-Pica und ihre Spießgesellen wohl
endlich daran denken würden, ihr etwas zum Essen und Trinken zu verschaffen.
Sie selbst schwirrten zwar abwechselnd davon, während die anderen mit dem
Menschenkinde weiterflogen, und Dott war ganz sicher, daß sie sich dabei mit
Nahrung versorgten, während ihr Hunger und ihr Durst immer größer wurden.
»Könnt ihr euch denn nicht denken, daß
ich nicht weniger Hunger und Durst habe als ihr?« fragte sie endlich empört.
»Trink Luft!« rief ihr Ascholaster zu.
»Mach den Schnabel auf und trink Luft, Luft, Luft!«
Die Kleine preßte die Lippen zusammen
und schwieg. Was sollte man denn auch auf so etwas antworten! — Nach einer
Weile aber machte sie einen neuen Versuch.
»Ich möchte gern wissen, ob ihr mir
wenigstens am Ende der Reise etwas zu essen geben wollt!«
»So, das möchtest du gern wissen!«
sagte Pica-Pica. »Dann sollst du auch die Antwort erhalten: Vielleicht,
vielleicht auch nicht.«
»Dann sollt ihr jetzt auch meine
Antwort erhalten«, rief die Kleine, und ihre Augen blitzten vor Verachtung.
»Wenn ihr mich nicht sofort irgendwohin bringt, wo ich etwas zu essen finde, so
] stürze ich mich in die Tiefe! Dabei wird es mir wohl nicht schlimmer ergehen,
als wenn ich bei euch verhungere!«
Kaum aber hatte sie ausgesprochen, als
die Elstern mitten im " Flug ihre Köpfe zusammensteckten, um zu
beraten, und dann ließen sie sich über einem Walde nieder und setzten die
Kleine im Moos ab, mitten in ein Gestrüpp von Blaubeerbüschen hinein.
»Also verhungern wollen sie mich doch
nicht
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