Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Mooren und struppigen Grasflächen. Und doch hatten die Menschen
gerade hier eine Bude mit Reiseandenken aufgestellt und sogar einen Brunnen
angelegt. Und da stand auch ein weißgedecktes Tischchen mit Gläsern, um Wasser
aus dem Brunnen zu trinken.
Aber die vielen Wanderer, die sich hier
angesammelt hatten, die tranken nicht nur von dem Wasser. Sie standen auch
lange am Brunnenrand und starrten feierlich in die Tiefe.
»Warum sehen denn die Leute so in den
Brunnen hinein?« fragte Dott.
»Wahrscheinlich, weil etwas darin zu
sehen ist«, sagte Mutter Kra trocken. »In diesem Brunnen wird nämlich die Elbe
geboren.«
Die Kleine hörte schon gar nicht mehr
auf Mutter Kra. Sie rannte dorthin, wo das Bächlein eilig zwischen den Gräsern
über den steinigen Boden rieselte. Es war so klein, daß Dott auch in ihrer
jetzigen Größe leicht darüber hätte hinwegspringen können. Das aber tat sie
nicht, o nein! Es war ja die gleiche Elbe, die mächtig und breit an ihrer
brandenburgischen Heimat vorüberziehen wird, bis sie zu einem so gewaltigen
Strom geworden ist, daß sie die Riesendampfer des Ozeans ins Meer hinaustragen
kann.
»Merkwürdig!« dachte Dott. »An so
vieles habe ich in diesen Bergen gedacht, nur daran nicht, daß es Rübezahl ist,
der unsren Strom aus seinem Reich hervorsprudeln läßt!«
Dott rannte den Abhang hinunter, immer
dicht neben dem Bächlein her, denn das war ja ein Stückchen ihrer Heimat! — Wie
gern hätte sie jetzt nach Rübezahl gerufen! Aber das durfte sie ja nicht. Aber —
ihn mit aller Kraft herbeiwünschen, das durfte sie! Und das tat sie auch. Und
nach einiger Zeit hörte sie auch wirklich einen polternden Schritt hinter sich,
der mit großer Schnelligkeit immer näher kam.
Die Kleine blieb stehen und schaute
verstohlen zurück. Da sah sie, daß auf dem steilen Gebirgspfad, der von der
Höhe herunterführte, ein alter Mann dahergeschritten kam mit wallendem Haar und
Bart und einer Kiepe auf dem Rücken.
»Ach, wenn es doch nur Rübezahl wäre!«
dachte die Kleine. »Ich würde mich ja kein bißchen mehr vor ihm fürchten!« Und
als er auf dem Wege nahe genug herangekommen war, rief sie zu ihm hinauf:
»Bitte, Herr Hriob Zagel! Würden Sie mich nicht anhören?«
Der Alte aber schien sie nicht gehört
zu haben. Ohne anzuhalten, stampfte er vorüber. Da begann die kleine Dott
hinter ihm her zu rennen.
»Ach, bitte schön! Mein Schwesterchen
liegt krank daheim und kann nicht gehen«, schrie sie mit aller Kraft, »und ich
soll das Mittel suchen, das sie gesund machen kann. Aber ich weiß doch nicht
den Weg zu dem Alten, der mir das Mittel geben kann! Ach, bitte sehr, könnten
Sie mir nicht den Weg zu ihm zeigen?«
Das alles durfte sie sagen, sie hatte
ja nicht verraten, wie das Mittel beschaffen sein sollte!
Der Alte wandte den Kopf ein wenig zur
Seite, aber er hielt durchaus nicht inne in seinem Lauf.
»Ich will auch gewiß mit dir tanzen,
wenn du es willst!« schrie die Kleine, indem sie verzweifelt hinter ihm
hersprang. Sie versuchte an alles zu denken, was sie ihm nur Gutes sagen
konnte!
»Ich finde es ganz häßlich, wenn man
dich Popanz nennt, und ich will auch bestimmt nicht Rübezahl zu dir sagen, wenn
du es nicht leiden kannst!«
Der Alte blieb nun mit einem Ruck
stehen und schaute dorthin, wo die kleine Dott dahergerannt kam.
»Was ist denn da für ein Geschrei da
unten?« sagte er, als Dott zu seinen Füßen stand. »Glaubst du denn, daß ich
taub bin? Ich kann dir aber sagen, daß ich sehr gute Ohren habe, so gute sogar,
daß ich genau verstanden habe, was du alles über mich gedacht hast, als du über
meine Berge flogst!«
Die Kleine erschrak. »Oh! An was alles
habe ich denn bloß gedacht?« fragte sie sich. Laut aber sagte sie:
»Entschuldige doch bitte! Ich habe es bestimmt nicht schlimm gemeint! — Und das
wäre ja auch ganz schrecklich, wenn sogar schon alle Gedanken gelten sollten!«
»Nicht schlimm?« fragte der Alte, und
plötzlich langte er nach der Kleinen, setzte sie auf seine flache Eiand und
hielt sie vor seine Augen. »War es etwa nicht schlimm gemeint, als du dachtest,
ich spränge nur so zum Spaß aus der Erde, und daß ich die Burschen nur so zum
Schabernack unter dem Galgen aufwachen ließ?«
Die kleine Dott sah nun ganz aus der
Nähe das Gesicht Rübezahls. Fuchsrot war plötzlich sein Bart und sein Haar, und
sie schaute in seine mächtigen Augen hinein wie in zwei Brunnen.
»Aber ich habe doch auch gedacht, wie
gut du bist und daß du
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