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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Gedanken erraten. »Aber
wolltest du nicht aus dem Schalloch sehen?« fügte er hinzu und schwang sich auf
das Sims.
    Dott blickte zum Turmloch hinaus. Da
lag unter ihr zu beiden Seiten des Stromes die Stadt, mit krausen Ziegeldächern
und giebeligen Häusern, mit krummen und geraden Straßen, mit Märkten und
Stadtgräben und ungezählten schlanken und wehrhaften Türmen. Wenn sie jedoch
über das große Breslau hinweg in die Ferne blickte, dann konnte sie im Süden
und Westen die hohe Gebirgsmauer der Sudeten und davor den spitzen Kegel des
Zobten, des Siling sehen — im Osten und Norden aber schaute sie in eine endlose
Ebene hinein.
    Dott blickte wieder auf die Stadt zu
ihren Füßen.
    »Schau dir dieses Breslau nur gut an«,
sagte der Junge. »Wer so alt ist wie ich, der weiß, wie schnell das alles
entstehen und vergehen kann.« Rasch zog er seine kleine Gerte aus dem Gürtel
und schlug einen Kreis um sich und die Kleine. »So! Und nun schau hinunter!«
    Da lag nicht mehr das schöne, heimelige
Breslau unter ihr, Eine altertümliche Stadt lag da, mit Befestigungen und
fremdartigen Straßen und Plätzen rund um die Burg. Dott wunderte sich nicht,
sie war durch die Rennefarre in ihrem Schuh gewohnt, von einem Augenblick zum
anderen in ein anderes Jahrhundert zu geraten. Sie schaute darum auch sogleich
mit aller Aufmerksamkeit hinunter.
    »Das ist aber eine merkwürdige Stadt!«
rief sie. »Wer hat sie denn da so mitten im Strom aufgebaut?«
    »Diese merkwürdige Stadt ist
Wratislawa, die alte«, erwiderte der Junge zurechtweisend. »Aber wer sie
aufgebaut hat, ist nicht so leicht zu sagen! Oder glaubst du vielleicht, es
waren die Illyrer aus dem Süden, die vom Adriatischen Meer heraufgezogen kamen
und hier siedelten? Oder vielleicht die Silingen aus dem Norden, die hier
lebten, bevor sie nach Afrika zogen? Oder die polnischen Fischer, die hier nach
ihnen ihre Pfahlhütten aufstellten? Oder Wratislaw I., der reichstreue
böhmische Herzog, der auf dieser Insel in der Oder die Burg da unten anlegte,
als die Böhmen und Polen um diesen Platz kämpften? Oder etwa die böhmischen und
polnischen und deutschen Kaufleute, die hier ihre Niederlassungen anlegten rund
um die Burg, weil an dieser Stelle die Oder so bequem zu überschreiten war?
Versuche du nur selbst herauszubringen, wer diese Stadt aufgebaut hat!«
    »Du brauchst gar nicht so böse auf mich
zu sein«, sagte Dott. »Außerdem finde ich alles, was du da gesagt hast, viel
zuviel auf einmal! Sage mir, was da unten in der Stadt los ist! Vielleicht kann
ich dann leichter herausbekommen, wer die Stadt aufgebaut hat.«
    Alle Straßen und Märkte der alten Stadt
waren bunt von Menschen und Wagen und Buden und Karren, und der rote Junge war
bereit, der Kleinen alles zu erklären. Da waren polnische Händler mit Pferden
und Vieh, mit Bottichen und Netzen voller Fische, mit Talg, Honig und Wachs,
mit Leder, Fellen und weichem Pelzwerk. Auf der anderen Seite des Marktes wurde
von polnischen Kaufleuten Salz ausgewogen, an einer dritten erkannte man die
Stände der flämischen Tuchhändler. Venezianische Kaufleute waren da mit
buntschillernden Glasgefäßen und feinen Geweben aus Seide. Böhmische Wagen
rumpelten durch die Straßen mit schweren Barren aus Kupfer und Gold.
Prachtvolle normannische Schiffe mit Drachenköpfen am Bug lagen im Hafen. — Die
reichsten Verkaufsstände aber hatten die deutschen Kaufleute aus dem Reich, und
die Kleine schaute voll Bewunderung auf die Waren, die sie feilboten:
schimmernde Waffen und handfeste Geräte, kunstvoll geschmiedete Panzer,
zierliche Gold- und Silbergeschmeide und große und kleine Fässer voll Wein. Und
dann musterte sie neugierig das ganz aus Stein erbaute Gebäude der deutschen
Handelsniederlassung am Strom; hochragend und fest stand es da zwischen den
niedrigen hölzernen Speichern und Häusern der anderen Kaufleute. Denn auch alle
fremden Handelsherren und Händler hatten hier ihre Niederlassungen und
Quartiere und Werkstätten. Es schien der Kleinen, als gehöre diese seltsame
Stadt allen Völkern zugleich, und sie sah ein, wie schwer es zu sagen war, wer
sie eigentlich aufgebaut hatte! Und das wollte sie nun auch dem Wassernix
sagen. Als sie aber zu ihm hinüberschaute, da war der Platz neben ihr leer.

Im alten
Wratislawa
     
    Mißtrauisch blickte die Kleine auf den
Wasserring, der dort zurückgeblieben war, wo die Gerte des Kobolds den Boden
berührt hatte. »Es ist doch wirklich abscheulich, wie die Geister und

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