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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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mich beten! Aber wie dann?«
    Ob wohl die Mutter darum beten würde,
daß ihr Kind in allen Gefahren behütet sein möge? Dott fühlte, wie ihr ein
Schluchzen in die Kehle stieg. Ja, so konnte die Mutter wohl beten für ihr
Kind!
    »Aber was soll ich denn nur tun, damit
mir die Eltern verzeihen können?« fragte sich Dott. Wie gern hätte sie über
alles mit der heiligen Herzogin gesprochen! Da aber merkte sie, daß auch die
alte Stadt Wratislawa mit ihren winkligen Straßen und zerstörten Häusern
verschwunden war.
    Eine neue herrliche Stadt lag unter
ihr. Sie selbst stand neben einer Gruppe lachender Kinder, bunt gekleidet: die
Jungen in kurzen Kitteln und langen farbigen Strümpfen, die Mädchen in langen
Kleidern mit gepufften Ärmeln.
    »Aber wie kommt diese wunderschöne
Stadt denn auf einmal hierher?« fragte Dott verwirrt.
    »Auf einmal?« — Die Kinder lachten.
    »Breslau ist vor zweihundert Jahren von
den deutschen Siedlern aufgebaut worden, nachdem das alte Wratislawa in den
Mongolenkriegen verbrannt ist«, erklärte höflich ein Junge, der schöner
gekleidet war als die anderen. »Von Kaufleuten aus dem Reich ist diese Stadt
neu eingerichtet worden.«
    »Und von den Breslauer Handwerkern«,
setzte ein anderer rasch hinzu. »Wo kommst du denn her, daß du so sonderbar
fragst?«
    »Aus Brandenburg«, erwiderte die Kleine
nach einigem Zögern. Sie konnte ja nicht gut alle Orte ihrer Reise aufzählen!
    »Dann sind die Hussiten wohl schon in
Brandenburg?« riefen die Kinder überrascht und drängten sich um die Kleine.
»Wie habt ihr denn von Brandenburg bis Breslau zwischen den Böhmischen hindurch
fliehen können?«
    »Da hätte es euch aber schlimm ergehen
können«, meinte ein dicker Junge in einem gelben Wams.
    »Das Nachts kannst du von hier aus die
brennenden Dörfer sehen, im Eulengebirge und am Zobten und überall, wohin du
siehst. Und du sagst, du bist aus Brandenburg hierher geflohen?« erkundigte
sich jetzt mißtrauisch ein großer Junge in dunkelblauem Wams. Die Kleine wußte
nicht, was sie sagen sollte, aber schon fragte ein anderer: »Hast du vielleicht
unterwegs die Trommel des Prokop gehört?«
    »Die Trommel des Prokop?« fragten die
Kinder und rückten noch enger zusammen.
    »Ja, habt ihr denn noch nichts davon
erfahren?« flüsterte der erste wieder. »Etwas Neues haben sich die Hussiten
ausgedacht: Mit der Haut ihres gefallenen Generals Schischka haben sie eine
Trommel bespannt. Auch noch nach seinem Tode soll er seine Soldaten anfeuern,
der rasende Schischka — so soll der Hussitenführer Prokop gesagt haben!«
    »Hu!« machten die Mädchen und
schüttelten sich, und ein kleiner Junge begann zu weinen. Der kleinen Dott lief
es kalt über den Rücken.
    »Bah! Laßt die Hussiten nur!« prahlte
wieder der dicke Junge. »Wir werden das Reich schon vor den Böhmen schützen!
Aber hast du denn nicht unterwegs unsere Heerhaufen getroffen?« wandte er sich
wieder an Dott.
    Die Kleine senkte die Augen. Sie hatte
natürlich längst gemerkt, daß die Rennefarre sie nun in die Zeit der
Hussitenkriege geführt hatte, und sie wußte nicht recht, was sie sagen sollte.
    »Laßt sie doch«, kam ihr ein kleines
Mädchen zu Hilfe. »Wir wollen ihr lieber von hier oben aus unsere Stadt zeigen,
damit sie sich darin zurechtfinden kann, da sie doch fremd bei uns ist.«
    Die Kinder traten sogleich an das
Turmfenster. »Die Türme mußt du dir merken«, riefen sie eifrig. Die Kleine blickte
in die Straßen hinunter.
    »Siehst du die beiden mächtigen Türme
auf der Dominsel?« unterbrach der große Junge im blauen Wams ihre Gedanken.
»Das ist unser Dom, und die berühmtesten Maler und Steinmetzen aus dem
Reich haben die Bilder und Figuren darin gearbeitet.« — »Und der Turm dort
neben dem Dom gehört zur Kreuzkirche«, fuhr sogleich ein mageres Mädchen fort,
dem die braunen Locken unter einem goldenen Mützchen hervorquollen. »In der
Kreuzkirche ist das Grab Heinrichs IV., der den Tannhäuser und die Minnesänger
aus dem Reich nach Breslau gerufen hat.«
    »Der dicke Turm dort auf der anderen
Insel, der gehört zur Sandkirche des Augustinerklosters an der alten
Handelsstraße, die aus dem Reich kommt und bis nach Krakau führt«, erklärte
eifrig der schön gekleidete Junge.
    Die Kinder drängten sich wieder dicht
um die kleine Dott, und jeder wollte sie auf etwas Besonderes aufmerksam
machen.
    »Siehst du dort hinten die alte
Kirche?« wandte sich das magere kleine Mädchen wieder an Dott. »Dort

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