Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
blitzten.
Trompetengeschmetter erschallte vom
Schweidnitzer Tor. Mit blankem Säbel in der Faust kamen jetzt sechsunddreißig
Mann brandenburgischer Gendarmen über den Markt gesprengt, voran die blasenden
Trompeter — aber noch war nichts vom König zu sehen.
»Er soll noch am Ohlauschen Tor seine
Wache besehen«, sagte eine Stimme.
Alle Fenster rund um den Markt waren
voll von Neugierigen, und in allen Straßen, die zum Markt führten, drängten
sich die Menschen.
»Sie kommen!« schrie der Lehrling.
Das Schneegestöber hatte nachgelassen,
so daß die kleine Dott alles deutlich erkennen konnte. Ein alter Offizier
sprengte über den Platz, mit dem blanken Degen in der Faust.
»Unser Stadtmajor, der Herr von
Wuttgienau!« stellte der Lehrling vor.
Gleich hinter dem Major folgten vier
königliche Läufer in orangeroter Kleidung mit silbernen Tressen. Und dann kam,
umgeben von seinen Generalen, Hofkavalieren und Pagen, der König, Friedrich der
Zweite, auf seinem pechschwarzen englischen Rappen, in blausamtnem Kleid mit
silbernem Achselband und blauem, wehendem Mantel!
»Fridericus Rex!« schrie da die kleine
Dott und tanzte vor Freude im Schnee auf dem Pflaster. Der König hob den Hut
und grüßte mit einem Lächeln zu ihr hinunter, und sofort nahmen auch die Bürger
die Hüte und Mützen ab, und einige schrien ein zaghaftes »Vivat!«
Nach allen Seiten grüßte der König.
Seine durchdringenden blauen Augen gingen forschend über die Gesichter, die ihm
alle gespannt zugewandt waren. Immer wieder grüßte er durch Abnehmen des Hutes
über den Markt und zu den Fenstern hinauf.
»Laßt ihn hereinkommen, den König!«
schrie da mit einem Mal wieder die gellende Stimme des Lehrlings.
»Ei, er ist ja schon binnen!« jauchzte
plötzlich die Menge, und dann schrien sie und schwenkten die Hüte und eilten
hinter dem kleinen Zug des Königs her in die Stadt hinein.
»Ja, nun ist er binnen!« dachte Dott,
und sie rannte mit allen anderen davon, um zu sehen, was nun geschehen würde.
Während Dott über den Marktplatz hinter
dem Zug herlief, begann es wieder zu schneien. Sie mußte mit den Augen blinzeln
und den Hals recken, um den König in dem Schneegestöber nicht aus dem Blick zu
verlieren. Aber so sehr sie auch rannte, so entschwand doch alles mit großer
Geschwindigkeit in die tanzenden Flocken hinein: der König hoch auf seinem Roß,
dann sein Dreispitz, sein wehender Mantel, und zuletzt der Zug der Menschen. —
Es war rasch dunkel geworden, und im
Schein der Laternen sah Dott, daß nur noch wenige Menschen neben ihr herliefen.
Sie sahen auch ganz anders aus. Es gab plötzlich keine hübschen weißgepuderten
Zöpfe und Perücken mehr. Die Leute waren viel einfacher gekleidet, so, wie sie
es auf alten Drucken aus der Zeit Napoleons bei der Großmutter gesehen hatte.
»Merkwürdig!« dachte Dott. »Ja, sehr
merkwürdig! Und wie sieht es hier denn überhaupt aus!«
Verkohlte Balken und Ziegel lagen auf
dem Bürgersteig. Türen und Fenster waren durch Sandsäcke und Pfähle verrammelt,
und in den oberen Stockwerken reckten sich die Menschen aus den Fenstern und
starrten in den schwarzen Himmel hinein.
»Wie es hier aussieht?« wiederholte
spöttisch ein Bäckerjunge, der mit seinem Brezelkorb neben ihr stehengeblieben
war. »Wie kann es hier denn aussehen, he, wenn Napoleons Truppen vor den Toren
stehen — Franzosen, Bayern und Württemberger, um unser schönes Breslau
zusammenzuschießen! Was stehst du denn überhaupt auf offener Straße herum?
Weißt du nicht, daß die Flüchtlinge in den Kirchen untergebracht sind? Selbst
der große Dom ist ja mit Stroh ausgelegt für die Obdachlosen!«
Asche und Funken wehten an ihnen
vorüber, es krachte wie aus hundert Feuerschlünden, und das Pflaster unter der
Kleinen erzitterte. Feuerhörner heulten, ein altmodischer Löschzug raste
klirrend vorüber. Dann ein furchtbarer Schlag, und da stand auch schon die schöne,
alte Mohrenapotheke in Flammen. Dott war so erschrocken, daß sie sich nicht von
der Stelle rührte und nur in die Flammen starrte. Da sah sie, wie aus einem der
Fenster eine lange Feuerzunge herausfuhr, in der etwas umhersprang. »Der Nix!«
dachte Dott. »Ein Feuermännchen ist er also auch, wie der Rote Junge bei uns.«
Der Kobold war mit einem Satz neben
Dott. Unwillkürlich trat Dott von ihm zurück.
»Du brauchst gar nicht so von mir
abzurücken«, sagte der Kobold. »Darum bleibst du ja doch zusammen mit mir im
gleichen Feuer!«
Das konnte
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