Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Dott natürlich nicht
leugnen, denn es brannte ja rund herum, wohin sie auch schaute. Vielleicht war
es am sichersten, im Feuer nahe beim Feuergeist zu bleiben. Er hatte sie in
diese schreckliche Zeit hineingebracht, nun mußte er auch dafür sorgen, daß sie
heil herauskam!
»Aber wir wollen doch lieber wieder da
anfangen, wo wir aufgehört haben«, schlug der Kobold vor.
Da war die brennende Stadt versunken!
Sie standen wieder in der Glockenstube des Turmes und schauten auf das Breslau,
auf das sie zuerst hinuntergeschaut hatten, und das war das Breslau ihrer
eigenen Zeit.
Es war Nacht, und die Stadt glänzte und
leuchtete zu ihnen herauf mit ihren bunten, glühenden Lichtreklamen und hell
erleuchteten Straßen und Warenhäusern und den Schaufenstern mit all den
herrlichen und verlockenden Dingen darin.
Aber schon fuhr die Gerte wieder durch
die Luft, daß es zischte. Und da brannte auch schon das wunderschöne alte
Rathaus, und mit lautem Klirren fiel das Wappen auf das Pflaster des Marktes.
Die Kleine hatte sich zitternd zu Boden
geduckt. Nach einiger Zeit aber wagte sie es, sich bis zur Brüstung zu erheben,
und nun schaute sie scheu auf das Land, das so finster und verlassen unter ihr
lag.
Dott wandte sich schnell zu dem Kobold
um. — Da hockte er in der Ecke und schaute aus halbgeschlossenen Augen von der
Seite zu ihr hinüber. Da ergriff die Kleine der Zorn. »Warum mußtest du alles
zusammenschlagen! Und das arme schöne Breslau noch dazu! Jetzt hast du uns in
etwas hineingebracht, was es noch gar nicht gibt!« Denn Dott zweifelte nicht
einen Augenblick daran, daß sie dieses Mal etwas sah, das noch nicht geschehen
war, was noch in der Zukunft lag.
»So, meinst du?« sagte der Kobold. —
»Aber durch wen kommt denn alle Traurigkeit auf Erden? Wer ist denn zum
Herrn der Erde gesetzt — wir oder ihr?«
Dott schaute zu Boden. Dann zog der
Kobold mit seiner Gerte einen weiten Kreis um sich selbst, daß es wie eine
glühende Schlange um ihn war. Und plötzlich war er selbst diese Schlange, und
dann fuhr er aus dem Schalloch der Glockenstube und zum nächtlichen Himmel
hinauf.
Lange schaute Dott ihm nach, bis sie
seine helle Bahn nicht mehr verfolgen konnte. Aber sie wußte, überall, wo er
vorüberkommt, wird er goldene Körner über die Erde schütten, Weizen und Hirse
über die Völker in West und Ost.
Das
Geheimnis der Geige
Eine Musikschule ist wie ein
verzaubertes Haus. Seltsame Geräusche sind zu hören, unheimliche Schreie und
schrille Töne, aber auch himmlische Harmonien. Denn in diesem Hause werden die
Schüler der Musik durch die Schreckenstöne des Anfangs hindurch zu den seligen
Klängen der Vollendung geführt, und in jedem Raum wird geübt, musiziert, auf
Klavieren, Geigen und Flöten, auf Cello und Baß oder mit der menschlichen
Stimme.
In dem Zimmer der Musikschule in
Breslau, das Klaus zusammen mit dem kleinen Geigenschüler betreten hatte, war
gerade die zweite Klasse der jüngeren Violinschüler versammelt, die kräftig mit
ihren Bogen über die Saiten fuhren. Das war zwar nicht ein Spiel, an dem Klaus
seine Freude haben konnte; am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, denn
längst wußte er, wie man eine Geige weich und voll zum Klingen bringen konnte.
Gespannt aber schaute er auf die weißen Blätter mit den Linien, den
wunderlichen Schnörkeln und schwarzen Köpfchen, nach denen die Jungen die
Melodien auf der Geige hervorbrachten. Nach Noten zu spielen, das hatte er noch
nie versucht.
»Das ist wohl wie bei der Schrift«,
überlegte Klaus. — Wenn man die Buchstaben noch nicht kennt, dann sind sie
nichts als Kritzelzeichen. Wenn man sie aber zu lesen versteht, dann können sie
alles enthalten, was man sieht und denkt und spricht. Genauso konnte man wohl
aus den Noten Melodien herauslesen, dachte Klaus.
Aufmerksam verfolgte er das Notenbild
und das Fingerspiel des Jungen, er sah, wie die Töne gleichzeitig mit den Noten
stiegen und sanken, als er aber ungeduldig die Geige hob und miteinstimmen
wollte, da erklang darauf eine ganz andere Weise, und rasch ließ er den Bogen
sinken.
Als der alte Meister ihm die Geige
übergeben hatte, da hatte er gesagt: »Es ist die beste Geige, die ich gemacht
habe, aber es ist ein Geheimnis in ihr!«
»Die Noten sind also das Geheimnis der
Geige«, dachte Klaus und seufzte. Denn er merkte, daß er überhaupt nichts von
den Zeichen auf den Notenblättern begriff. »Vielleicht erfahre ich darüber
etwas in einem
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