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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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Mittel
suchen, durch das er von seiner Verzauberung erlöst werden konnte. Aber wieder
tat er, als sähe er den Vogel nicht. Er wollte ja gar nicht mehr erlöst werden.
Er hatte gefunden, was er so lange gesucht hatte! Und nun sollte niemand mehr
die Macht haben, ihn von hier fortzulocken. Klaus sah das verhärmte Gesicht der
Mutter vor sich, aber mit Gewalt wischte er auch diese Erinnerung hinweg.
    Die Krähe aber ließ sich nicht
entmutigen. As sie erkannte, daß der Junge ihre Anstrengungen nicht beachtete,
schoß sie in das Zimmer hinein und flatterte gerade zwischen ihm und dem
breiten Rücken des Schülers auf und ab. Finster schaute der Junge auf die
Krähe, und plötzlich hob er den Bogen gegen sie, als wollte er nach ihr
schlagen. — Da ließ der Vogel ein weißes Tüchlein zu Boden fallen, strich über
den Jungen hinweg und war im nächsten Augenblick verschwunden.
    Klaus versuchte, sich wieder in das
Spiel einzufügen, und er fand auch gleich die Stelle, wo er einzusetzen hatte.
Aber alle Freude war aus seinem Herzen verschwunden.
    »Wenn doch nur dieser Vogel nicht
gekommen wäre!« dachte er ärgerlich. Seine Finger bewegten sich geschickt und
sicher, sein Bogen glitt leicht über die Saiten, jetzt kam die schwierige
Stelle mit dem hohen Ton. Unsicher klang es auf der Geige des Schülers, ruhig
und ohne zu schwanken sang die Geige Klaus Petersens. Aber etwas Seltsames war
geschehen — ihr Ton war anders als zuvor.
    Klaus erschrak. Er biß die Zähne
zusammen. Noch nie hatte er mit einer solchen Anspannung gespielt, und der
Schweiß trat ihm auf die Stirn. Tadelfrei folgte Ton auf Ton, aber todeskalt
war die Stimme der Geige geworden.
    Da ließ der Junge den Bogen sinken.
Wozu sollte er noch spielen? Er hatte die Seele seiner Geige zerstört, als er
den Bogen gegen den Vogel erhob. Er hatte das Herz seiner Geige zerschlagen.
Denn als er dem Vogel drohte, hatte er den Bogen erhoben gegen Cornix, den
treuen Freund, gegen die kleine Dott und... gegen die eigene Mutter.
    Verzweifelt starrte der Junge auf die
Geige. »Nur der kann die Geige zum Klingen bringen, der ihr Geheimnis
entdeckt«, hallte wieder die Stimme des Meisters in seinem Ohr. Jetzt endlich
hatte Klaus das Geheimnis der Geige erfahren, gerade jetzt, da er in seinem
Herzen nichts anderes mehr entdecken konnte als Undank und Dunkelheit,
Beschämung und Verzweiflung.
    Da packte Klaus seine Geige fest unter
den Arm, riß das Tüchlein vom Boden und rannte aus der Stube und aus dem Haus
und wie von Sinnen die Straße hinunter.

Die Flut
     
    Während die kleine Dott dem Wassernix
gedankenvoll nachschaute, begannen dicht über ihr die großen Glocken des Turmes
zu dröhnen.
    »Guten Morgen, Menschenkind!« krächzte
Cornix und blinzelte ihr vom Sims zu. »Wenn du ausgeschlafen hast, könnten wir
unsere Reise fortsetzen. In der Nacht ist nämlich ein Unwetter niedergegangen.
Die Talsperren, die ihr klugen Menschen gegen die Überschwemmungen gebaut habt,
sind gebrochen, und nun stürzen die Wassermassen alle auf einmal in die Tiefe.
Wir müssen sofort an den Ufern der Oder entlang nach Süden fliegen. Dein Freund
wird vielleicht auf dem Dach eines Hauses Zuflucht gefunden haben!«
    Die kleine Dott hatte noch nie eine
Überschwemmung erlebt, und während ihres Fluges bemerkte sie nicht viel mehr
davon als das warnende, laute Läuten der Glocken von allen Türmen und das
Heulen der Sirenen. Je weiter sie aber stromaufwärts kamen, um so seltsamere Fracht
trug die Oder bei ihrem stürmischen Lauf nach Norden mit sich fort: ganze
Ladungen Holz, die Scheite ineinandergeschoben, losgerissene Boote, Buschwerk
und tote Hühner. An den Ufern liefen die Kinder umher und schleppten alles, was
lose im Freien umherstand, ins Haus und in die Schuppen, einige Männer standen
mit Stangen am Ufer und beobachteten das steigende Wasser, andere brachten mit
ihren Gespannen Sandsäcke, Pfähle und Steine zu den Deichen. Die Frauen jagten
die Hühner und Ziegen in die Ställe, andere trieben das Vieh ins Innere des
Landes. — Auf dem Strom schaukelten nun schon ganze Bäume mit Wipfeln und
Wurzelwerk und, in den Zweigen verhakt, schwere Eisenträger. Brücken kamen wie
steuerlose Schiffe dahergefahren und polterten gegen die Ufer und Deiche.
    »Jetzt hat die Flut das Vorland
erreicht«, sagte Cornix, während sie eilig weiter stromaufwärts flogen. Eine
Laube schwamm auf ihrem Dach daher, Bottiche, Bänke und Stühle, zu Flößen
verklammert, trieben stromabwärts. Als

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