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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Bestätigung den dicken braunen Stoff der Hose in die Länge.
    »Hab ganz andere Probleme«, ächzt er. Das ebenfalls braune Hemd ist so gespannt, dass die Knöpfe aussehen, als würden sie mich gleich anspringen. Das Koppelschloss des gegerbten Gürtels mit dem Reichsadler, der auf dem Hakenkreuz thront und über dem der Banner ›Blut und Ehre‹ prangt, ist im letzten Loch und sitzt fest um seine Taille.
    »Ihr seht aus wie zwei Zinnsoldaten.« Mit wachsendem Spott betrachtet Erik das Schauspiel in unserem Garten und klettert noch ein Stückchen höher auf den Kirschbaum. Die blonden mittellangen Haare glänzen dabei in der Sonne, während er sich geschickt nach oben hangelt.
    »Ah, das sehe ich gerne, bereit für die HJ!«, schreit mein Vater euphorisch, die Hände lässig vor dem massigen Oberkörper verschränkt, als er in den Garten tritt. Das saftige Gras gibt unter seinem Körper schnell nach, als er für ein paar Sekunden in den Himmel sieht und dem Zwitschern der Vögel lauscht.
    »Guten Tag, Vater. Heute schon früh zu Hause?«, will ich wissen und trete ein paar Schritte an ihn heran.
    »Guten Tag, Herr Brandenburg«, sagt Martin leise.
    Mein Vater mustert meinen Freund. »N bisschen spack sitzt das bei dir.«
    Er grinst breit und blickt dann den Kirschbaum hoch. »Oh, hallo, Erik.«
    Nach wenigen Momenten hat Erik sich von der Krone des Baumes zum Boden durchgearbeitet. Die letzten Meter nimmt er im Sprung. »Guten Tag, Herr Brandenburg«, sagt er schelmisch, während er die Reste der Kirschen herunterschluckt.
    Mein Vater winkt ab. »Ach, lass es dir schmecken.« Anschließend beäugt er Erik von oben bis unten. »Du trägst ja gar keine Uniform. War heute nicht Einkleidung der neuen Pimpfe?«
    Er nickt, sucht meinen Blickkontakt. »Mein Vater will nicht, dass ich in die Hitlerjugend eintrete«, druckst er. »Er sagt, dass er die Reichspräsidentenwahl knapp gegen Hindenburg verloren hat, war ein Warnschuss. Man sollte ihn nicht auch noch stärken, indem man in seine Organisation eintritt.«
    Vater hört sich das ruhig an und lächelt. »So, sagt der Herr Pfarrer das?« Vater verzieht den Mund. »Nun ja, jedem, wie es ihm beliebt. Ich finde, dass er klare Linien hat und das ausspricht, was die meisten Menschen denken. Alleine deshalb hat er meine Stimme.« Er kommt näher und streicht mir über die Haare. »Und die meines Sohnes, nicht wahr?« Er grinst stolz auf mich herab.
    Ich antworte mit einem lang gezogenen »Ja« und strecke meine Hand zum Hitlergruß.
    Er nickt Martin zu, der ebenfalls den Arm hebt.
    »Ihr werdet noch sehen, Hitler wird Großes für Deutschland erreichen.« Seine Augen glänzen, während er über ihn spricht. Doch seine Stimme ist ruhig wie Balsam, sodass ich mich dabei ertappe, wie ich gefesselt von jedem seiner Worte bin.
    »Bei der Kriminalpolizei muss ich jeden Tag den Abschaum der Menschen verhaften, verhören und wegsperren. Mörder, Vergewaltiger, der Bodensatz der Gesellschaft. Hitler verspricht hart gegen diese Menschen vorzugehen. Alleine deshalb sollte man ihn wählen, damit unsere Straßen sicherer werden.«
    Ich nicke heftig, dann legt Vater seine große Hand auf meine Schulter und lugt ums Haus herum. »Wo ist Mutter? Das Essen sollte längst auf dem Tisch stehen.«
    Erst jetzt fällt mir auf, dass mein Magen knurrt. Ich lege die Stirn in Falten und zucke mit den Schultern. »Weiß nicht, Vater. Sie ist vor einer Stunde oder so los, wollte noch etwas einkaufen.«
    Diese Antwort stellt ihn zufrieden.
    »Gut«, erwidert er laut und klatscht in die Hände. »Dann wird es nicht mehr so lange dauern. Was ist Burschen, wollt ihr mitessen?«
    Martin und Erik johlen gleichzeitig, während sie in das Haus stürmen. Gerade als ich mich ihnen anschließen möchte, hält Vater mich zurück. Mit meinen 16 Jahren trennen uns wenige Zentimeter an Körpergröße, trotzdem komme ich mir unendlich klein neben ihm vor.
    »Du siehst gut aus in Uniform.« Er zupft mir das Hemd zurecht und richtet die Koppel, sodass sie gerade unter meinem Bauchnabel liegt. »Dieser Erik scheint mir kein richtiger Umgang zu sein. Er ist mir zu … zu … Kennst du keine anderen Jungs aus der Hitlerjugend?«
    Ich schaue zu Boden und versuche die Frage totzuschweigen. Seine Finger berühren mein Kinn und drücken mein Gesicht nach oben. Er sieht mich eindringlich an. »Du bist bald erwachsen, mein Sohn. Es wird Zeit, sich Gedanken über deine Zukunft zu machen. Ich habe schon mit einigen Leuten in

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