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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Werksgelände.
    »Ganz schon gut geschützt.«
    Martin gluckste. »Was erwartest du? Die IG Farben verdient mittlerweile die Hälfte ihres Geldes mit Rüstungsgütern. Tote Zivilisten tun dem Oberkommando nicht weh, wenn sie auf einmal kein Leuna-Benzin für Flugzeuge mehr haben, schon.«
    Einsam quälte sich der Wagen durch die Nacht, bis sie endlich Düsseldorf erreichten. Ein einziger Lichtkegel zwischen den Feldern. Vor Martins Wohnung blieben die beiden einige Minuten im Wagen.
    »Und?«, wollte Martin schließlich wissen. »Gehst du noch zu deinem alten Herrn und holst dir eine Standpauke ab? Ist gerade mal halb zehn, er ist bestimmt noch nicht im Bett.«
    »Ich glaube, das ist das Letzte, worauf ich heute Lust habe«, ächzte Nikolas und fuhr sich über das Gesicht. »Hast du ein Sofa, wo ich mich …«
    Er wurde von Martin unterbrochen, der mit weit aufgerissenen Augen die Hand auf seiner Schulter presste.
    »Was ist …?«
    »Psst. Hörst du das nicht?«
    Der helle Fliegeralarm drang in seine Ohren. Erst unterschwellig, dann immer lauter dröhnten auch die deutschen Flaks los.
    »Scheiße, raus hier!«, schrie Martin und schob seinen Freund aus dem Wagen. »Wir müssen in den Keller.«
    Von überall her drängten Menschen auf die Straßen und innerhalb von Sekunden verwandelte sich die Stille der Nacht in ein reißendes Chaos. Der Lärm war unerträglich. Nikolas’ Atem beschleunigte sich und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, während er sich umsah. Seine Augen irrten umher. Frauen trugen in Nachthemden ihre schlafenden Kinder die Treppen herunter, während andere ihre Habseligkeiten im Arm hatten. Ein älteres Ehepaar lief Hand in Hand die Straße entlang und wurde von der wild durcheinander rennenden Masse umgestoßen. Die schiere Panik war in den Augen der Menschen zu lesen. Nikolas’ Blick blieb auf den beiden Greisen kleben, bis er von Martin weggerissen wurde.
    »Wo ist der nächste Luftschutzbunker?«, brüllte Nikolas ihm entgegen.
    Zu unwirklich kam ihn die Situation vor. Er hatte Übungen mitgemacht, Dutzende Male die Evakuierung geübt, doch manche Situationen kann man nicht proben. Solche wie diese hier. Als ob er nicht mehr Herr seiner Sinne wäre, folgte er einfach seinem Freund. Ohrenbetäubend kreischte die Sirene ihr warnendes Lied über Düsseldorf, während die Geschosse der Flugabwehrkanonen am Himmel krachten.
    »Zu weit weg, einfach in den Keller!«
    Durch die Schreie der Menschen konnte er die Worte nur schwerlich verstehen. Zusammen hetzten sie hinter das Gebäude. Der Verschlag zur Kellertür war geöffnet. Sie mussten sich ducken, um sich durch den engen Spalt zu quetschen und die Treppe mit den unebenen Stufen hinunterzugehen. Als sie den großen, feuchten Raum erreichten, blickte Nikolas in fahle Gesichter und tote Augen, aus denen nichts als Angst sprach. Der Keller war gut gefüllt und lediglich von zwei Petroleumlampen schwach beleuchtet. Mehrere Säuglinge kreischten im unregelmäßigen Rhythmus und wurden nur von den beruhigenden Stimmen ihrer Mütter unterbrochen.
    »Ich bin Arzt, benötigt irgendwer medizinische Hilfe?«, fragte Martin laut und ging sofort zu einem älteren Mann mit einer triefenden Platzwunde am Kopf. Dann begann es.
    Zuerst hörten sie nur das dumpfe Grollen der Explosionen in weiter Ferne. Wenige Sekunden später barst die todbringende Fracht der Bomber in nächster Nähe. Es war, als hätte eine riesige Hand gegen die Kellerwände geschlagen. Staub fing sich in der Luft und das Flackern der Lampen setzte für einen Moment aus, als die Flamme zu ersticken drohte. In Panik schrien die Menschen durcheinander und drückten sich ganz eng an ihre Liebsten. Dann folgte eine zweite Detonation, die neben Staub einige Steine von der Decke fallen ließ. Mehrere Menschen begannen leise zu wimmern und Gebete zu sprechen. Während Martin zu jedem Einzelnen ging, spürte Nikolas, wie sich seine Hände in die behelfsmäßige Bank gruben. Seine dunklen Haare wurden von dem Staub weiß gepudert. Mit offenem Mund bemerkte er, wie sich die feinen Körner auf seine Zunge legten. Er starrte auf den Boden. Die Furcht ließ keine Bewegung zu und schnürte seinen Hals so fest zusammen, dass er zu ersticken glaubte. Sein Unterkiefer begann zu zittern, als die dritte Explosion den Keller erneut zum Beben brachte.
     
    *
     
    17. Juli 1932, Düsseldorf
     
    Irgendwie zwickt diese Uniform im Schritt.
    »Hast du das auch?«, will ich von Martin wissen und ziehe zur

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