Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
Düsseldorf gesprochen.« In dieser kurzen Pause, glänzen Vaters Augen vor Stolz. »Du wirst ein großartiger Kriminalbeamter.«
Die Worte erdrücken mich fast. Natürlich hatte er ein paar Mal darüber gescherzt. Doch jetzt, wo die Gedanken meines Vaters keine Fantasie mehr sind, sondern sich mehr und mehr in Realität verwandeln, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich schlucke mehrmals und bin über meine eigene Courage überrascht.
»Und was ist, wenn ich das gar nicht will?« Meine Stimme soll fest klingen, stark und unbeugsam. Aber es kommt mir vor, als wäre sie leise wie das Piepsen einer Maus.
Seine Mundwinkel ziehen sich nach oben. »Was willst du denn machen?«
»Vielleicht was mit Kunst, oder so? Mutter hat gesagt, dass ich das machen kann. Oder vielleicht studiere ich Architektur. Sie sagt, dass meine Zeichnungen gut sind.«
Er prustet los und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. »Kunst? Sei nicht albern. Du brauchst etwas, womit man eine Familie ernähren kann.« Dann blickt er zum Haus. »Hat es gerade geklopft? Geh rein und wasch dir die Hände, ich schaue, wer da ist.«
Ich gehorche ohne Widerworte und schleiche mit hängendem Kopf in das Haus. Schnell habe ich meine Hände gewaschen und mich neben meine Freunde in das Esszimmer gesetzt. Ich spüre, wie Erik mich beobachtet.
»Was hast du?«
»Ich soll Polizist werden«, grummele ich schließlich.
Die Worte lassen meinen Freund laut auflachen. »Du? Du kannst doch keiner Fliege etwas zuleide tun. Was ist mit der Kunstsache, wolltest du das nicht studieren?«
»Vater will es nicht.« In diesem Moment wird mir klar, wie endgültig seine Aussage ist. Meine Hoffnungen ruhen auf meiner Mutter. Sie schafft es als Einzige, ihn zu beruhigen, und vielleicht doch noch von seiner vorgefertigten Meinung abzubringen. Mein Blick haftet auf der Tischplatte, bis ich Eriks Hand auf meiner Schulter spüre.
»Wird schon gut gehen.«
Nachdem er die Worte ausgesprochen hat, tritt Vater in den Raum. Sofort merke ich, dass etwas nicht stimmt. Seine Augen sind leer, die Schultern hängen herab, die Arme baumeln lose herunter. Dann lässt er sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Das Holz knarrt unter seinem Gewicht.
»Sie ist tot, Nikolas.« Seine tiefe Stimme erfüllt den ganzen Raum, doch sie ist ohne Kraft. »Ein Pelzhändler hat die Kontrolle über seinen Wagen verloren und sie vom Fahrrand gestoßen. Dann schlug sie mit dem Kopf auf das Pflaster.«
Obwohl er seine Worte klar ausgesprochen hat, habe ich Mühe, sie zu verstehen. Eine Träne verlässt das Gesicht meines Vaters und tropft auf den Tisch. Es ist das erste Mal, dass ich ihn weinen sehen.
»Sie ist tot, Nikolas«, wiederholt er im selben Tonfall.
Dann beginnt auch meine Unterlippe zu zittern.
Kapitel 6
– Wieder zu Hause –
Die Nacht war kurz. Sie kamen frühzeitig wieder in die Wohnung und Martin ging sofort ins Bett. Er wollte bei Tagesanbruch im Krankenhaus sein. Die Züge mit den Verletzten kamen nun zweimal täglich, viele Gliedmaßen mussten abgenommen werden, hatte er im Halbschlaf gemurmelt. Martin schlief wie ein Stein, während Nikolas die Kissen fest auf die Ohren presste, als könnte er den Lärm der Sirenen dadurch ersticken. Das schrille Geräusch hallte in seinem Kopf wider, wie das Echo in einem Gebirgstal. Wie musste es sich erst anhören, wenn die Bomben direkt über ihnen einschlagen würden, ohne die meterdicken Betonwände zwischen ihnen? Nikolas verdrängte den Gedanken und stand auf. Es fühlte sich an, als wäre er von einem Pferd niedergetrampelt worden. Obwohl es bereits sechs Uhr war, wurde es nicht hell, als wollte sich die Nacht noch ein wenig an die Stadt klammern.
Er hatte die Möglichkeit, sich zu rasieren und zu duschen, sodass er wieder wie ein zivilisierter Mensch aussah. Nach einem kurzen Frühstück verabschiedeten sich die beiden. Sie umarmten sich an der Türschwelle und Nikolas versprach, sich bald wieder zu melden. Wenngleich es ein trauriger Anlass war, der sie zusammengeführt hatte, war er doch über jede Minute froh, die er mit Martin verbringen konnte. Aber auch Nikolas hatte eine Aufgabe zu erledigen, die sein Gewissen plagte.
Die Hitlerjugend und das Jungvolk hatten die Straßen bereits leer geräumt. Die braunen Uniformen der Pimpfe waren allgegenwärtig und sie wurden für jegliche Arbeiten herangezogen. Wenn kein Mann diese Arbeit machen konnte, musste es halt ein Kind tun. Zumindest auf der Strecke, auf der
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