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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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seinem Geiste hielt sie mit einem strahlenden Lächeln ein Glas Champagner auf der Verlobungsfeier in die Höhe. Dann küsste sie ihn.
    Mit aller Macht musste er den Gedanken verdrängen und sich wieder auf das Gespräch konzentrieren. Reiß dich zusammen, Nikolas. Alles idealisierte Vergangenheit, mehr nicht. Mit einer Hand zerknüllte er den Brief und warf ihn in den Papierkorb. »Ich werde also erst Morgen fahren?«
    Von Stülpnagel nickte.
    »Und dann?«, wollte Nikolas wissen.
    »Wie ich bereits sagte, Sie müssen diesen Weg weitergehen. Ich habe Pâquerettes Zellen geholfen, ins Reich zu gelangen. Wenn sich der Zylinder in meinem Besitz befindet, schicke ich einen Kurier an diese Adresse.« Er hielt den Zettel mit seiner Notiz in die Luft. »Ich weiß, dass er irgendetwas plant, dieser gewiefte Franzose. Etwas Großes, damit Heydrichs Plan gestoppt werden kann, damit ihm diese Option genommen wird.« Gedankenverloren schüttelte er den Kopf. »Dieser Pâquerette … Ist 1942 einfach aus dem Nichts aufgetaucht und hat nach und nach seine Reihen formiert. Wäre er Befehlshaber über die französischen Truppen gewesen, hätten wir es schwer gehabt«, seufzte er anerkennend. »Wenn Sie in Deutschland sind, begeben Sie sich zu dieser Adresse. Ich habe veranlasst, dass Sie nicht überwacht werden. Seien Sie trotzdem vorsichtig.«
    Nikolas nahm das Stück Papier entgegen, das von Stülpnagel herüberreichte, und las die Adresse. »Ich kenne die Gegend aus meiner Zeit im Kriminaldienst in Deutschland. Liegt zwischen Düsseldorf und Leverkusen«, stellte er fest. »Dieses Gebiet … Viele Leichen wurden dort gefunden.«
    Von Stülpnagel breitet die Arme aus, kräuselte seine Lippen und zog eine Augenbraue nach oben. »Zufall?«
    »Das ist Anstiftung zum Hochverrat, Herr General.« Nikolas versuchte, seinem Blick standzuhalten, und obwohl die Augen des Mannes stachen wie spitzes Eis, das sich in ihn bohrte, gelang es ihm.
    »Warum interessiert Sie das, Herr Kriminalkommissar?«, sagte er mild. »Sie sind doch bereits tot.«
    »Aber Sie sollte das interessieren«, entgegnete Nikolas.
    Von Stülpnagel schloss die Augen. Nur für einen vertieften, aber intensiven Moment des Innehaltens. »Herr Kriminalkommissar, ich habe eine Tochter und zwei Söhne. Irgendwann muss sich jeder Vater einmal die Frage stellen, welche Welt er seinen Kindern hinterlassen möchte. Ich habe oft und lange darüber nachgedacht und eine Entscheidung getroffen. Und nun treffen Sie Ihre.«
    Nikolas hatte seine längst getroffen. Vor einigen Tagen, auf einem Düsseldorfer Friedhof. »Ich werde weitergehen«, antwortete er schließlich.
    Von Stülpnagel nickte zustimmend, stand auf und reichte ihm die Hand. In seinen Augen lag Dankbarkeit gemischt mit etwas, das Nikolas nicht gleich deuten konnte. War es Mut? Angst? Einfach die pure Hoffnung, das Richtige zu tun? Oder die Gewissheit, dass die Chancen schlecht standen, im nächsten Jahr noch am Leben zu sein?
    »Ich wünsche Ihnen alles Gute und bin froh, Sie kennengelernt zu haben, Herr Kriminalkommissar. Lassen Sie uns diesen Wahnsinn beenden.«
    Nikolas wollte etwas sagen, den Mann ergründen, ihn verstehen, doch er fand weder die richtigen Worte noch den Mut. Diese Melancholie, diese traurigen Augen, die gleichzeitig vor Mut glänzten. Diese Zuversicht gepaart mit Unsicherheit. Dann wurde die Miene des Generals der Infanterie Carl-Heinrich von Stülpnagel finster. Schweren Gemüts ging er zum Fenster und spähte hinaus in die stockfinstere Nacht, in der Hoffnung, bald den Morgen zu sehen.
    Als Nikolas den Raum verließ und ein Soldat ihn zu seinem Zimmer begleitete, war er sich sicher, er hatte den General heute zum letzten Mal gesehen.
     
    Auf dem Weg in das zugewiesene Zimmer hätte er schwören können, dass er diese Nacht keinen Schlaf finden würde. Ein Arzt hatte ihn bereits untersucht und festgestellt, dass die Rippen lediglich geprellt und nicht gebrochen waren. Trotzdem fiel ihm das Atmen schwer. Die Handgelenke waren mit dicken Verbänden versehen, es brannte fürchterlich unter den weißen Mullbinden. Auch die Wunden in seinem Gesicht waren versorgt, nur die Schwellung seines Auges würde einige Zeit zum Abheilen brauchen.
    Als er sich auf das Bett fallen ließ, war er schon nach wenigen Sekunden dem Sog des Schlafes verfallen.
    Erst als am nächsten Morgen ein Wehrmachtssoldat an seine Tür klopfte und ihm ein üppiges Frühstück servierte, fanden die Ereignisse des letzten Tages den

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