Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Metallschublade, die der Mitarbeiter zu sich heran auf seine Seite zieht. Zwei Minuten später schiebt der Mittvierziger die Schublade mit bedauerndem Gesichtsausdruck wieder zurück. »Funktioniert leider nich, Ihre Karte.«
»Wieso das denn nicht?«, will Martin erregt wissen. Der Vollzugsbeamte vom Autoknast zuckt mit den Schultern.
»Weiß ich doch nich. Nimmt das Gerrrät halt nich an, nech? Haben Sie Bargeld mit dobai?«
»Klar«, schnauzt Martin ihn an, »ich trage ständig dreihundert Euro mit mir herum! Man weiß ja nie, ob man nicht spontan einen Fernseher oder sonst was kaufen will!«
»Do kann ich denn jetz auch nix machen, denn muss Ihr Wagen hierbleiben.«
»Nee, warten Sie mal.« Seufzend werfe ich meine EC -Karte in die Schublade. »Buchen Sie’s davon ab.«
»Nein, Stella. Das kann ich doch nie wiedergutmachen!«, meint Martin.
»Nö«, stelle ich fest. »Kannst du auch nicht. Aber wenn du’s mir einfach nur zurückzahlst, bin ich schon zufrieden.«
»Danke.«
Und ehe ich weiß, wie mir geschieht, drückt Martin mir einen schnellen und festen Kuss auf die Wange.
Kurz darauf rollt mein neuer Kollege in seinem BMW vom Hof. Draußen auf der Straße steigt er aus und kommt rüber zu mir; ich habe so lange bei meinem Auto gewartet, bis klar war, dass auch wirklich alles glattgeht. Inzwischen haben sich die Regenwolken verzogen, und ich halte mein Gesicht der warmen Sonne entgegen.
»Also«, sagt er, als er vor mir steht, »noch einmal tausend Dank, ohne dich wäre ich echt aufgeschmissen gewesen.«
»Da nich füar«, antworte ich in meinem breitesten Dialekt. »Aber vielleicht ziehst du demnächst einfach auch mal ein Parkticket. Erspart einem eine Menge Ärger. Und den Knast.«
»Hm, ja, ich weiß«, gibt er zerknirscht zu. »Und es tut mir auch leid, dass ich das vorhin gesagt habe. Du weißt schon, das mit dem verspannt und spießig und so.«
»Schon vergessen«, gebe ich mich großmütig. »Und jetzt komm mal gut nach Hause.« Mit diesen Worten will ich mich schon abwenden und einsteigen, als Martin mich zurückhält.
»Du, Stella?«
»Ja?«
»Sag mal … Also, ich meine, es wäre doch echt ganz nett, wenn wir uns gut verstehen. Und nach diesem total verkorksten Start habe ich mich gefragt … Also, da habe ich mich gerade gefragt … Ob du als Wiedergutmachung vielleicht nächsten Donnerstag mit mir zusammen zu
Kino trifft Pop
ins Hotel Atlantic gehen willst? Das könnte doch ganz nett sein, oder?«
»Zu
Kino trifft Pop?
«, frage ich nach. Diese Veranstaltung findet zweimal im Jahr statt, da trifft sich das
Who’s who
der Hamburger Medienszene. Und so ungern ich es zugebe: Ich war noch nie dabei, für eine Einladung hat’s bisher bei mir noch nicht gereicht. Was genau genommen eine Frechheit ist, aber so ist es eben.
»Ja, genau.« Martin zuckt etwas unbeholfen mit den Schultern. »Wir könnten uns doch vielleicht einen netten Abend machen oder so …« Er schaut so treuherzig wie ein Hundewelpe. »Vielleicht bin ich ja gar nicht so scheiße, wie du denkst?«
»Vielleicht nicht«, antworte ich. Und obwohl ich zeit meines Lebens immer weit, weit,
weit
davon entfernt war, mich kaufen zu lassen, höre ich mich selbst sagen: »Und ich gehe am Donnerstag gern zusammen mit dir hin.« Nicht wegen Martin natürlich. Sondern wegen der Chance, einmal auf diese Veranstaltung zu kommen, wer weiß, wann das noch einmal passiert?
»Okay, super!« Er lächelt mich an. »Dann treffen wir uns am Donnerstag um neunzehn Uhr vorm Hoteleingang. Ich freu mich!«
»Ich mich auch!« Wir verabschieden uns, ich steige ins Auto und fahre los.
Was für ein interessanter Tag,
denke ich, während ich Richtung Heimat düse. Und Martin Stichler ist vielleicht doch nicht so ein Vollidiot, wie ich dachte. Eben war er richtig nett. Wenn er mal auf seine arrogante Masche verzichtet, ist er fast erträglich. Und immerhin: Er hat auch ein nettes Grübchen in der Wange … Bei dem Gedanken daran schalte ich die Musik ein und lausche den neuen Songs der Reeperbahnjungs.
6. Kapitel
D ie Zeit bis zum Donnerstag vergeht so rasend schnell, als hätte ich nur einmal kurz geblinzelt: Nach meinem Ausflug zum Autoknast war ich mit Miriam am späten Samstagnachmittag noch ein bisschen shoppen, denn für die bevorstehende »Klassenfahrt« will ich schließlich perfekt ausgerüstet sein. Neben drei neuen Paar Schuhen, zwei Hosen, fünf Blusen und zwei engen Röcken habe ich sicherheitshalber noch eine
Weitere Kostenlose Bücher