Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Tröpfchen aus. Ich mache noch schnell einen Schritt zurück, damit ich nicht getroffen werde. Die Erinnerung daran scheint den Mann offenbar sehr zu amüsieren. »Einer ist dabei volle Lotte vor einen Laternenpfahl gedonnert. Mann, das hat richtig laut geknallt!«
»Ja, äh, schön«, quittiere ich seine Ausführungen leicht ungeduldig und halte ihm wieder die Büroklammer unter die Nase. »Also, tauschen Sie die hier gegen irgendetwas?« Er nimmt mir den Draht aus der Hand.
»Ich guck mal.« Mit diesen Worten schließt er die Haustür, ich wende mich triumphierend an Martin.
»Siehste!«, teile ich ihm mit. »Klappt doch!«
»Abwarten«, antwortet er, »noch wissen wir ja nicht, was wir für die Büroklammer bekommen.«
Eine Minute später wird die Haustür wieder geöffnet, und der Mann drückt mir eine Dose in die Hand. Ich werfe einen Blick darauf.
»Hundefutter?«, frage ich verwundert nach.
Mein Tauschpartner zuckt mit den Schultern. »Was anderes hab ich nicht gefunden.«
Ich beäuge die Dose in meiner Hand. »Die ist ja sogar schon abgelaufen.«
»Aber erst seit zwei Wochen, macht also nichts. Und ihr hattet ja auch nur ’ne Büroklammer, was anderes könnt ihr dafür nicht erwarten.« Im nächsten Moment hat er schon wieder die Tür geschlossen.
»Doch, doch«, meint Martin und pfeift anerkennend durch die Zähne, »die Sache läuft echt super an! Eine olle Konserve mit Chappi Deluxe, die wird uns der Nächste mit Sicherheit aus der Hand reißen!«
Na warte! Hocherhobenen Hauptes marschiere ich an ihm vorbei aufs nächste Haus zu. Ich werde mich von meinem Kollegen nicht provozieren lassen, das kommt überhaupt nicht in Frage! Und ich werde auch nicht auf seine Idee mit den fünfzig Euro zurückkommen, jetzt erst recht nicht!
Um kurz vor fünf steuern wir das gefühlt zweihundertste Wohnhaus an. Mittlerweile schmerzen meine Füße, und ich habe das Gefühl, bereits jede Straße von Schneverdingen mindestens einmal abgelaufen zu sein. Unterwegs sind uns immer wieder Kollegen begegnet, und es war teilweise erstaunlich, was die sich schon alles ertauscht hatten: Tobias und Robert zogen einen Bollerwagen hinter sich her, auf dem ein alter Fernseher stand, Natascha und Oliver schleppten eine ziemlich große Topfpflanze. Den Vogel schossen allerdings Hilde und Susanne von World Music ab, denn die beiden trugen ein Brautkleid durch die Gegend. »Fragt lieber nicht«, sagte Hilde und sah ein bisschen betreten aus, »das ist keine schöne Geschichte.«
Von einer schönen Geschichte sind Martin und ich mit unserer halben Schachtel Zigaretten, die wir von unserem letzten Tauschpartner gegen ein altes Set mit Skatkarten erhalten haben, auch noch weit entfernt. Ich war eigentlich ziemlich stolz auf mich, wie ich im Lauf der Zeit immer ein bisschen höher in der Preiskategorie geklettert bin, aber das hat Martin mit seinem ersten ernsthaften Einsatz zunichtegemacht. Nicht nur, dass die Schachtel angebrochen ist, der mürrische Teenager, der sie uns gegeben hat, gab unumwunden zu, sie im Dreck gefunden zu haben, bevor er auf seinem BMX -Rad davonpeste.
»Die ist schon ganz schön angeschrammelt«, sage ich jetzt naserümpfend. Tatsächlich ist eine Ecke wohl schon etwas durchgeweicht und wieder getrocknet, und irgendwer hat auch darauf herumgekritzelt.
»Das ist … wie heißt das noch … Vintage-Chic!«, behauptet Martin.
Ich muss lachen. »Aha! Na, dann sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir hier«, ich deute auf das Haus vor uns, »nicht jemanden finden, der bereit ist, uns dafür etwas ganz Tolles zu geben.«
»Wahrscheinlich bekommen wir einen Arschtritt, weil uns bestimmt gleich ein Nichtraucher öffnet.«
»Pessimist«, gebe ich zurück. Aber irgendwie meine ich es gar nicht mehr böse, denn wir haben schon Spaß miteinander, auf unsere ganz eigene Art und Weise.
»Spießerin«, kommt es frotzelnd zurück. Dann müssen wir beide lachen. »Na los«, fordert Martin schließlich. »Viel Zeit haben wir ja nicht mehr.« Ich betätige den Klingelknopf, kurz darauf öffnet eine Frau, die etwa in meinem Alter sein muss. Sie mustert Martin und mich neugierig.
»Ja bitte?« Ich sage wieder mein Sprüchlein auf und halte ihr schließlich die halbe Schachtel Kippen unter die Nase, sie nimmt sie entgegen und betrachtet sie kurz.
Und dann passiert etwas Eigenartiges.
Die Frau
schreit!
»Das gibt’s ja gar nicht!«, brüllt sie und fällt mir um den Hals. Ich kiekse vor Schreck auf, was
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