Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Nase stehen bleibt. Hat er mich nun doch noch entdeckt? Zerrt er mich jetzt gleich unter der Matratze hervor und ich erhalte die Standpauke meines Lebens? Doch während ich noch verängstigt die schlimmsten Horrorszenarien in meinem Kopf wälze, macht er schon wieder kehrt und marschiert davon. Wenige Sekunden später fällt die Zimmertür hinter ihm ins Schloss. Nun stoße ich tatsächlich einen lauten Erleichterungsseufzer aus, das ist ja so gerade eben noch mal gutgegangen! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er mich erwischt hätte!
Mühsam krabbele ich unter dem Bett hervor und stehe auf. Sofort wandert mein Blick zum Nachttisch, jetzt will ich wenigstens noch kurz in Davids Buch gucken. Aber es ist – weg. Er hat es mitgenommen. Scheiße!
»Hör mir jetzt gut zu«, sagt Mama, die ich nach dem Zwischenfall in Davids Zimmer sofort mit Hildes Handy, das sie mir noch einmal geliehen hat, angerufen habe. »Du sagst zu niemandem ein Wort, verstanden?«
»Natürlich nicht, ich bin ja nicht blöd!«
»Das scheint ja ein regelrechtes Sodom und Gomorrha da bei euch zu sein. Jeder mit jedem, und deine Kollegin Mareike schnappt sich auch noch den Chef!«
»Na ja«, entgegne ich, »die zwei klangen irgendwie richtig süß miteinander. Vielleicht haben sie sich ja wirklich verliebt.«
»Papperlapapp!«, kommt es wie so oft zurück. »Solche Frauen wie deine Kollegin kenne ich, da muss man aufpassen!«
»Aufpassen?«, frage ich irritiert nach. »Was hab denn ich damit zu tun?« Mama seufzt.
»Dass du aber auch immer so naiv sein musst, mein Kind! Sie hat sich David Dressler geschnappt, und schon bald tanzt er nach ihrer Pfeife, das wirst du schon sehen.«
»Ist ja jetzt auch egal«, würge ich meine Mutter ab. Bevor sie mir wieder mit wilden Konspirationstheorien kommt, will ich lieber ein paar handfeste Ratschläge von ihr. Die Tatsache, dass Mareike was mit David hat, ist in jedem Fall mein geringstes Problem. »Was soll ich denn jetzt machen? An das Buch ist einfach kein Rankommen.«
»Du verhältst dich weiterhin professionell und freundlich, mehr kannst du im Moment nicht tun.«
»Und was ist mit Tim?« Ich habe ihr gebeichtet, dass ich maßlos enttäuscht von ihm bin, weil ich dachte, dass er mich wirklich mag. Und es ihm in Wahrheit wohl doch nur um den Plattenvertrag ging. Den hat er ja jetzt – von meinem Kollegenarschloch.
»Der scheint gut zu diesem Martin zu passen!«, meint Mama. »Verschwende also keinen Gedanken mehr an ihn und konzentriere dich voll und ganz auf dich.«
»Dann soll ich ihn nicht darauf ansprechen, was ich ihn mit Martin habe reden hören?« Genau das würde ich nämlich sehr gerne tun. Diese ganzen Heimlichkeiten bringen doch nichts.
»Um Himmels willen, nein! Zeig bloß keine Schwäche mehr, Stella, darauf lauern die doch nur!«
»Und was, wenn es stimmt, was Martin gesagt hat? Dass ich bei David auf der Abschussliste stehe?«
»Papperlapapp«, kommt es wieder. »Im Gegenteil, mittlerweile bin ich mir fast sicher, dass es genau umgekehrt ist.«
»Wie kommst du denn jetzt darauf?«, frage ich erstaunt.
»Das liegt doch wohl auf der Hand!« Mama schlägt diesen
Meine-Tochter-ist-süß-aber-schwer-von-Begriff
-Ton an, den ich so hasse.
»Aha, es liegt also auf der Hand? Ich verstehe trotzdem nicht so ganz, was du meinst.«
»Martin Stichler scheint eine tierische Angst vor dir zu haben, sonst würde er nicht derart gegen dich schießen.«
»Meinst du?« Das verblüfft mich nun ziemlich. Aber ganz von der Hand zu weisen ist es nicht. Martin hat Tim schließlich schon unter Vertrag, wieso sollte er also sonst noch so über mich herziehen?
»Ich bin mir ganz sicher!«
»Soll ich denn noch einmal versuchen, mir das Buch zu schnappen?«
»Besser nicht, das wäre vorhin ja fast schiefgegangen. Ich denke, es ist wirklich das Beste, du ziehst die verbleibenden Tage einfach nur durch. Und wenn du wieder in Hamburg bist, komme ich zu dir, und wir entwerfen in aller Ruhe einen Schlachtplan.« Sie seufzt. »Ach Gott, ich wäre jetzt so gerne bei dir und würde dir helfen.«
»Das ist lieb, Mama, aber ich schaff das hier schon allein. Und du hast vollkommen recht: Ich konzentriere mich jetzt auf mich und lasse mich nicht ins Bockshorn jagen!«
»Genau«, bestätigt meine Mutter. »Das ist meine Stella! Kopf hoch, mein Schatz!«
Die restlichen eineinhalb Tage gestalten sich genauso unschön, wie zu erwarten war. Nur mit Müh und Not schaffe ich es, mich Tim und
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