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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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natürlich überprüfen müssen. Nein, Sie müssen Ausschau halten nach einem Ort, wo täglich viele große Messer in Gebrauch sind, wo man gar nicht merken würde, wenn eines weniger da wäre. Nun kommen Sie schon, Lewis, strengen Sie ein bißchen Ihre Phantasie an. Viele Frauen mit weißen Tüchern um die Köpfe, die Kartoffeln schälen, Gemüse putzen, Fleisch schneiden …«
    »Die Küche der Roger-Bacon-Gesamtschule«, sagte Lewis langsam.
    Morse nickte. »Wäre doch möglich, oder?«
    »Ja«, sagte Lewis gedehnt. Er dachte einen Moment nach und nickte dann. Ja, das wäre durchaus möglich. »Aber Sie sagten eben, daß Sie mir diese Sache überlassen wollten. Und was ist mit Ihnen?«
    »Es gibt bei diesem Fall noch einen anderen Aspekt, und um den werde ich mich kümmern.«
    »Was ist das für ein Aspekt?«
    »Wie ich Ihnen eben schon erklärt habe, Lewis, wir beschäftigen uns jetzt mit dem Anfang: Phillipson und Valerie Taylor. Sie mit der einen Hälfte, ich mit der anderen.«
    »Sie meinen …?« Aber tatsächlich hatte Lewis keinen blassen Schimmer.
    Morse stand auf. »Ja. Sie versuchen Ihr Glück bei Phillipson, und ich werde alles daransetzen, Valerie Taylor ausfindig zu machen.« Er bedachte Lewis mit einem entwaffnenden Lächeln. »Wo würden Sie vorschlagen, daß ich mit der Suche beginnen soll?«
    Lewis hatte sich ebenfalls erhoben. »Ich habe immer angenommen, sie sei in London, Sir. Das wissen Sie ja. Ich glaube, daß sie einfach Lust bekommen hat …«
    Aber Morse hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Er fühlte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. Mit einem fast übermütigen Blick sah er den Sergeant an und sagte: »Warum nicht, Lewis? Wer weiß?«
    Er ging zurück in sein Büro und wählte ihre Nummer. Schließlich – sie hatte ihn ja so gut wie eingeladen, oder?
     
     

Kapitel Neununddreißig
     
    Die einzige Möglichkeit, die ich kenne, einen Zug zu erre i chen,
    ist, den davor zu verpassen
    G. K. Chesterton
     
    »Mami?« fragte Alison und sah ihre Mutter mit ernstem Gesicht an, während diese die Bettdecke um sie herum feststopfte.
    »Ja, Liebling?«
    »Kommt der Polizist, wenn Papi zurück ist, noch einmal wieder?«
    »Das glaube ich nicht, Schatz, aber mach du dir darüber mal keine Gedanken.«
    »Papi kommt doch wirklich zurück? Er ist nicht im Gefängnis, oder?«
    »Nein, natürlich nicht, du kleines Dummerchen. In ein paar Stunden ist er wieder da. Ich werde ihm sagen, daß er noch bei dir hereinschaut und dir einen Gutenachtkuß geben soll.«
    Alison schwieg einen Moment. »Mami, er hat doch nichts Schlimmes gemacht, oder?«
    »Nein, Kleines, natürlich nicht.«
    Alison runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. Dann blickte sie zu ihrer Mutter hoch: »Aber selbst wenn er etwas Schlimmes gemacht hätte, mein Papi bleibt er trotzdem.«
    »Ja, sicher doch.«
    »Und wir würden ihm verzeihen, oder?«
    »Ja, mein Liebling, natürlich … und du versprichst, daß du mir auch verzeihen würdest, wenn ich etwas Falsches täte, ja?«
    »Ganz bestimmt, Mami. Der liebe Gott verzeiht auch allen. Und meine Lehrerin sagt, daß wir uns anstrengen sollen, daß wir alle genauso werden wie er.«
    Mrs. Phillipson schloß leise die Tür des Kinderzimmers hinter sich.
     
    Morse ließ den Lancia zu Hause stehen und ging zu Fuß von Nord-Oxford zum Bahnhof. Er brauchte fast eine Stunde und überlegte unterwegs, warum er sich dazu entschlossen hatte; aber er hatte jetzt ein gutes, klares Gefühl im Kopf, und die ungewohnte Bewegung tat ihm gut. Um zwanzig nach acht stand er vor der Bahnhofsgaststätte und sah sich um. Es war dunkel, aber genau gegenüber beleuchteten die Straßenlaternen die ersten Häuser in der Kempis Street. So nah! Er hatte bisher nicht realisiert, daß der Bahnhof wirklich nur einen Katzensprung entfernt war. Keine hundert Meter – höchstens. Eine oder zwei Sekunden stand er ganz still und spürte das vertraute Kribbeln in den Nervenenden. Er wollte den 8.35-Uhr-Zug nehmen, genau den, den Phillipson in jener schicksalhaften Nacht nicht genommen hatte … Ankunft in Paddington 9.40 Uhr. Von dort ein Taxi … ja, mit etwas Glück konnte er gegen Viertel nach zehn da sein.
    Er kaufte eine Erster-Klasse-Fahrkarte und ging an der Sperre vorbei auf Bahnsteig 1. In dem Moment verkündete der Lautsprecher von oben: »Der Zug, der jetzt Einfahrt hat auf Bahnsteig 1, über Reading nach Paddington …« Aber Morse hörte nicht hin.
    Er ließ sich im Polster zurücksinken und

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